piwik no script img

Aus täglich Brot wurde täglich Fleisch

■ Nach den jüngsten BSE-Fällen fordern Öko-Bauern und Naturschutzverbände einen Umstieg auf Produktion ökologischer Landwirtschaft / Umdenken der Verbraucher wird angemahnt

Nach den jüngsten BSE-Skandalen fordern Bremer Naturschutzverbände und Vertreter von ökologischer Landwirtschaft ein Umsteuern in der regionalen Landwirtschaftspolitik. Die Kritiker machen eine verfehlte Politik ebenso für die gefährlichen BSE-Erreger verantwortlich wie die Futtermittelindustrie, die Forderung der Verbraucher nach billigem Fleisch und das Handeln einzelner Landwirte. Unterdessen wurde gestern bekannt, dass bei einer Stichprobe in einem Mischfutterwerk in Soegel im Landkreis Emsland tierisches Eiweiß in einem Futtergemisch für Kühe gefunden wurde – wegen der BSE-Gefahr ist aber Tiermehl in Futtergemischen für Wiederkäuer verboten. In Bremen tagte gestern eine Expertengruppe, um die Umsetzung der Empfehlungen des bundesweiten Krisenstabes zu planen (siehe Kasten).

„Bremen bildet mit Niedersachsen das Schlusslicht des Ökolandbaus in Deutschland“, erklärte ges-tern Peter Bargfrede von der Erzeuger-Verbraucher-Genossenschaft (EVG). Nur vier von 300 landwirtschaftlichen Betrieben in Bremen würden nach ökologischen Grundsätzen bewirtschaftet. Auch in Bremen müssten nun die Weichen für „einen Übergang zu einer artgerechten und ökologisch orientierten Landwirtschaft gestellt werden“. Bargfrede forderte ein „Aktionsprogramm Ökolandbau“, dessen Ziel sein sollte, innerhalb der nächsten fünf Jahre wenigstens zehn Prozent der landwirtschaftlichen Fläche mit ökologischem Landbau zu bewirtschaften. Auch der Naturschutzbund Ostfriesland erklärte gestern die industrielle Landwirtschaft für „gescheitert“ und forderte einen Umstieg auf ökologische Landwirtschaft.

Eine der wenigen ÖkobauerInnen in Bremen ist die Diplom-Agrar-Ingenieurin Christiane Balzereit. Ein guten Teil ihres Einkommens verdient sie mit der Produktion von Bio-Rindfleisch auf dem Landschaftspflegehof Bavendamm. Aus ihrer Sicht ist das BSE-Risiko bei öko-zertifiziertem Rindfleisch „verschwindend gering“ – da die Verbände des ökologischen Landbaus strenge Kriterien an ihre Zertifikate knüpfen. Die drei Verbände für den Bremer Raum sind „Bioland“, „Naturland“ und „Demeter“. So dürfen nach den Bedingungen der Öko-Verbände keine Kraftfuttermittel verfüttert werden, die nicht aus ökologisch gewachsenen Nahrungsmitteln bestehen. Balzereit macht weniger die Bauern, sondern die Futtermittelindustrie für die BSE-Skandale verantwortlich.

Ein weiteres Öko-Siegel ist der „Neuland-Verband“: Das Projekt will Landwirten den Einstieg in den ökologischen Betrieb erleichtern. Ebenso wie bei den Bioland- Demeter- oder Naturland-Kriterien setzt au ch Neuland auf artgerechte Tierhaltung ohne Chemikalien, allerdings mit dem Unterschied, dass die Futtermittel nicht unbedingt aus dem ökologischen Landbau stammen müssen.

„Das Risiko beim Fleischkauf kann leider auch mit dem Kauf von Öko-Fleisch nur minimiert, nicht aber gänzlich ausgeschlossen werden“, warnt allerdings Georg Witschorke, Fleischexperte beim Umweltverband BUND. Langfristig müssten sich die Verbraucher klar werden, dass billiges und qualitativ hochwertiges Fleisch an der Supermarkttheke nicht möglich ist: „Aus unserem täglich Brot wurde unser täglich Fleisch – aber wir müssen den Bauern die Chance geben, verantwortungsvoll produzieren zu können“. Und das heißt: Qualitativ gutes Fleisch muss teuer sein dürfen. Doch für solche Angebote fehlen nach seiner Meinung noch immer weitgehend die Vermarktungsstrategien. Eine kurzfristige Lösung sieht Witschorke darin, Tiermehl-Produkte nicht nur für Rinder zu verbieten, sondern auch für andere Lebensmittel und Tierfutter. „Auch wenn es ekelig ist: Bis vor kurzem war es erlaubt, von der eingeschläferten Katze bis zur Laborratte alles in dieses Tiermehl beizumischen“, sagt er. Der Präsident des Bremischen Landwirtschaftsverbandes, Hinrich Bavendam, forderte große geschlossene Landwirtschaftssysteme, um das BSE-Übertragungsrisiko wirksam zu verringern.

Christoph Dowe/

Elke Heyduck

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen