: Zurück in Stammheim
Ab heute steht Andrea Klump vor Gericht – wegen versuchten Mordes und Mitgliedschaft in der RAF
von NICOLE MASCHLER
Auf dem selbst gebastelten Putzplan in der Wohngemeinschaft Springergasse 11, unweit des Wiener Vergnügungsparks Prater, war Heidi bereits für den Hausdienst eingeteilt. Doch sie kommt nicht, weder an diesem Tag noch später. Jene Frau, die als Heidi Prieri in der WG mit Vorliebe Spitzenvorhänge häkelte und Marmelade einkochte, war am 15. September 1999 auf offener Straße verhaftet worden: Andrea Martina Klump, mutmaßliches Mitglied der Roten Armee Fraktion. Gesucht wegen versuchten Mordes, Verabredung zum Mord und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Ab heute muss sie sich dafür vor dem Stuttgarter Oberlandesgericht verantworten.
Auf Heidi-Andrea konnte man sich immer hundertprozentig verlassen, hat ihr Mitbewohner nach der Festnahme über Klump gesagt. Überpünktlich sei sie gewesen und zuverlässig. Bei der Festnahme in Wien, bei der ihr Begleiter Horst Ludwig Meyer erschossen wurde, sagte die Deutsche nur einen Satz: „Ihr tut euren Job – ich tue meinen.“
Was ihr Job war, ist bis heute unklar. Dass sie den Schritt aus der illegalen Unterstützerszene in die RAF-Spitze je vollzog, gilt als unwahrscheinlich. BKA-Spezialisten sind überzeugt, dass sie eher eine beliebig einsetzbare Legionärin war.
Gemeinsam mit Meyer und einem weiteren RAF-Mitglied plante sie 1988 einen Anschlag auf ein Hotel im spanischen Rota, in dem sich Militärs des nahe gelegenen Nato-Stützpunktes aufhielten. Mit vorgehaltener Waffe sollen die drei anschließend ein Ehepaar und ihr Kind gezwungen haben, sie in einem Wohnmobil nach Sevilla zu fahren. Dort tauchten sie unter. Unklar ist, ob Klump auch 1989 am Mordanschlag auf den Deutsche-Bank-Sprecher Alfred Herrhausen beteiligt war. Die heute 43-Jährige hat eine Mitgliedschaft in der RAF stets bestritten.
Ihre Familie erfuhr von ihrem Doppelleben erst, nachdem Klump 1984 untertauchte. „Politik“, erinnert sich die Schwester Bernadette, „war bei uns nie ein Thema.“ Dabei soll die gelernte Bürogehilfin bereits 1977 zum Unterstützerkreis der RAF gehört haben. Die 20-Jährige beteiligte sich an der Besetzung einer Kirche in Wiesbaden und wenige Jahre später an einer ähnlichen Aktion im Schauspielhaus in Frankfurt am Main. Mit inhaftierten Terroristen war sie über Briefe und Besuche in Kontakt.
Ihre Gefangenenhilfe führte Klump Ende der 70er-Jahre häufig in den Hochsicherheitstrakt von Stammheim. Nun ist sie an den Ort ihrer politischen Sozialisation zurückgekehrt.
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