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„Die Crux liegt im Preis“

Weil die Berliner wenig Geld für gutes Essen übrig haben, sind die Spitzenrestaurants dünn gesät. Jetzt sind in der Stadt drei neue Sterne aufgegangen. Ein Michelin-Tester erklärt, wie es dazu kam

Interview RALPH BOLLMANN

taz: Berlin ist aufgestiegen. Statt bisher 7 Sterne-Restaurants gibt es jetzt 9, dazu ein weiteres in Brandenburg. Kann sich die Stadt jetzt mit westdeutschen Metropolen messen?

Das kann man durchaus sagen. Berlin ist zur Zeit die Stadt Deutschlands, die die meisten Restaurants mit einem Stern hat.

Aber es gibt noch kein Spitzenrestaurant mit zwei oder drei Sternen. Woran liegt das?

Bisher hat einfach die entsprechende Kundschaft gefehlt. Man kann nur so gut kochen, wie die Gäste bereit sind, das auch zu bezahlen. Diese Art von Küche hat nun einmal ihren Preis.

Liegt das am Geld – oder auch an fehlender Kennerschaft?

Das ist eine Frage, die ich nicht beantworten mag. Aber die eigentliche Crux liegt im Preis. Die Produkte sind sehr teuer geworde. Folglich muss man auch das, was man mit den teuren Produkten macht, entsprechend teuer verkaufen.

Was ist Ihre Prognose: Wie wird es in Berlin weitergehen?

Berlin hat nach wie vor eine sehr große Attraktion. Es gibt immer noch ein Potenzial an Restaurants, die einem Stern schon sehr nahe sind. Aber die Kundschaft wird eben nicht unendlich vermehrt, und die Restaurants müssen alle ihre Kunden finden.

Es gibt Restaurants, die sehr teuer sind – und trotzdem keinen Stern bekommen. Besteht also kein direkter Zusammenhang von Preis und Qualität?

Der Preis ist für uns kein Kriterium. Die Frage nach dem Stern wird allein auf dem Teller beantwortet.

Aber es gibt offenbar teure Restaurants, die ihren Preis nicht so ganz wert sind?

Das will ich so nicht sagen. In diesen Häusern hängt die Leistung möglicherweise zu stark von der Tagesform ab. Wir erwarten bei einem Haus dieser Klasse, dass die entsprechende Leistung auch konstant vorhanden ist. Der Gast, der heute essen geht und 300 Mark für ein Menü bezahlt, der möchte für diese 300 Mark auch etwas geboten bekommen – und das nicht nur, wenn der Koch gerade einen guten Tag hat.

Wie gehen Sie bei einem Test im Restaurant vor?

Wir kommen als normale Gäste und bestellen ein Menü. Die Gerichte stellen wir so zusammen, dass wir die Leistungen des Kochs korrekt bewerten können.

Welches Essen eignet sich dafür besonders gut?

Nicht sehr interessant ist zum Beispiel ein Steak, das man einfach nur in der Pfanne braten muss. Es muss eine Zubereitung sein, die dem Koch Gelegenheit gibt, sein Können zu zeigen – oder auch nicht.

Service und Ambiente spielen also keine Rolle?

Die Sterne sind eine Aussage über die Küchenleistung. Das Drumherum wird im Führer mit der Anzahl der Besteck-Symbole bewertet, nicht mit den Sternen.

Haben Sie tatsächlich alle Restaurants getestet, die auf den mehr als tausend Seiten Ihres Deutschland-Führers auch nur erwähnt werden?

Alle Restaurants werden in regelmäßigen Abständen von uns besucht. Wir haben fest angestellte Fachinspektoren mit einem gastronomischen Hintergrund. Sie machen nichts anderes, als Restaurants zu testen.

Ist das nicht unglaublich teuer?

Das kann schon sein.

Lohnt sich das denn?

Was heißt schon „lohnen“?

Holen Sie das Geld mit dem Buchverkauf wieder herein?

Der Führer ist ein Imageprodukt der Firma Michelin. Wir machen das aus historischen Gründen, den „Michelin“ gibt es schon seit 1900. Die Frage, ob sich das lohnt, hat sich bisher noch nicht gestellt. Das gehört einfach dazu.

Den Gepflogenheiten der Michelin-Redaktion entsprechend, wollte der Tester anonym bleiben.

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