: Vernetzungsphilosophie als Kreativressource
Ein Westküsten-Bay-Area-Verbund zum gemeinsamen Jammern: Die Quannum Allstars haben sich als Speerspitze des Alternative HipHop etabliert
Auch schon wieder vier Jahre her, dass DJ Shadows Platte „Endtroducing . . .“ hohe Wellen schlug. Von den einen wurde das Werk als DJ-Großtat ganz im Sinne der reinen HipHop-Lehre gefeiert, anderen war das Ganze zu gewollt jungsmäßig. Der „Schaut her, meine Plattensammlung“-Effekt hatte ja auch wirklich eine gewisse Penetranz. Wie viel Zentner Vinyl als Samplequelle herhalten mussten, kann nur geschätzt werden. Für damalige Verhältnisse jedenfalls mehr als üblich. Heute wirkt die Diskussion um DJ Shadow ziemlich angestaubt. In den Zeiten von Turntablism und mit der Zunge geleckten Scratches und Wer-ist-der Schnellste-DJ-Weltmeisterschaften wirkt einer wie Shadow geradezu wie ein Gemütlichkeitsfanatiker. Zumal er selbst inzwischen weniger Wert auf Tricks an den Plattenspielern legt und längst gut abgehangenen Alternative HipHop ohne überflüssige Mätzchen produziert.
„Endtroducing . . .“ war auch deshalb ein so heißes Eisen, weil sie auf dem damals überaus schwer angesagten Label Mo Wax von James Lavelle erschienen ist, das vor allem für die Verbreitung von geschmäcklerischem Trip Hop zuständig war. Heute holt eine neue Mo-Wax-Platte keine Katze mehr aus der Ecke.
Als ob Shadow das vorausgeahnt hätte, versuchte er bald darauf, sich unabhängig zu machen, und gründete seinen eigenen Laden Solesides, auf dem jedoch außer einer ziemlich guten Platte von Latyrx kaum Nennenswertes passierte. Bis es dann vor ein paar Jahren kräftig explodierte und Solesides in der Vernetzungsphilosophie von Quannum aufging. Hier geht es darum, den ewigen HipHop-Antipoden Los Angeles und New York einen eigenständigen Westküsten-Bay-Area-Verbund entgegenzusetzen. Acts wie Jurassic 5, Dan The Automator, Latyrx, Blackalicious, Shadow selbst und andere versuchen als Quannum Allstars, eingefahrene Bandkonstellationen zu unterlaufen und gemeinsam zu jammern.
Mal sehen, was dabei herauskommt. Die Posse nicht als Blutsbrüderzusammenschluss, sondern als Kreativressource. Ohne Angst vor Jazz, Soul, Funk und Pop zu haben, haben sich Quannum-Acts inzwischen als eine Speerspitze des Alternative HipHop etablieren können, die gemeinsam Stärke demonstrieren. Dazu passt auch, dass man als Label-Paket auf Tour geht. DJ Shadow ist nicht ohne Latyrx und Blackalicious zu haben. Für das nicht gerade HipHop-verwöhnte Berlin ist das mehr als eine volle Packung.
ANDREAS HARTMANN
Ab 21 Uhr, Maria am Ostbahnhof,Straße der Pariser Kommunue 8–10,Friedrichshain
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