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Die Tiermehl-Entsorgung stinkt zum Himmel

Nach dem Verbot der Verfütterung: Hunderttausende Tonnen Tierkadaver müssen verschwinden, doch Verbrennung bereitet Probleme. Lagerung schwierig: faulendes Tiermehl stinkt bestialisch

BERLIN taz ■ Die Entsorgung hunderttausender Tonnen von gemahlenen Tierkadavern in Deutschland ist nicht gesichert. Das bisher als Futter für Schweine und Geflügel verwendete Tiermehl kann offenbar in Müllverbrennungsanlagen nicht einfach entsorgt werden. Der schleswig-holsteinische Umweltminister Klaus Müller (Grüne) sagte der taz, von den beiden Müllverbrennungsanlagen in seinem Land sei beispielsweise nur die in Stapelfeld (Kreis Strohmarn) technisch in der Lage, Tiermehl zu verfeuern. „Mittelfristig müssen wir schauen, ob es nicht sinnvoll ist, die Kadaver direkt in Biogasanlagen zu verwerten, anstatt für viel Geld Tiermehl herzustellen“, sagte er. Derzeit lagern noch mehrere hunderttausend Tonnen Tiermehl bei den Futtermittelherstellern, Jahr für Jahr werden 700.000 Tonnen zusätzlich produziert. Bauern dürfen ihre Restbestände noch verfüttern.

Verschärft wird das Entsorgungsproblem dadurch, dass Tiermehl nicht unbegrenzt haltbar ist. Spätestens nach einem halben Jahr fängt das eiweiß- und fetthaltige Gemenge an zu faulen. In Großbritannien haben sich im Sommer dieses Jahres Bürger über den Gestank beschwert, der einer Tiermehl-Lagerhalle entwich. In Frankreich wird wegen fehlender Lagerhallen das Tiermehl zum Teil unter freiem Himmel gelagert.

Unklar ist weiter die Finanzierung der schätzungsweise 1,8 Milliarden Mark teuren Entsorgung von Tiermehl. Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) lehnt Bundeshilfe ab: „Hier ist nicht nur der Staat gefordert“, sagte er dem Tagesspiegel. Wenn die Verbraucher unbedenkliche Nahrungsmittel haben wollten, müssten sie dafür auch bezahlen. Bislang seien noch keine Zahlen über die Kosten für die Landwirtschaft und Tierkörperbeseitigung bekannt.

Probleme gibt es nach einem Bericht der „Tagesschau“ auch mit dem ab Mittwoch verbindlichen Schnelltest für Rinder ab einem Alter von 30 Monaten. Der Sendung zufolge gibt es Engpässe bei der Lieferung von speziellen Zusatzstoffen für die Tests.

In Schleswig-Holstein ist es bei einem BSE-Rind geblieben. Hier war das erste deutsche BSE-Rind entdeckt worden. Keines der 170 Rinder starken Herde, zu der das betroffene Tier gehörte, sei positiv getestet worden, teilte die Landesregierung am Samstag mit. Die Herde war notgeschlachtet worden.

Bundeslandwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke (SPD) will seine Behörde als Konsequenz aus der BSE-Krise neu strukturieren. Es werde eine eigenständige Abteilung „Verbraucherschutz, Lebensmittelsicherheit und Veterinärfragen“ eingerichtet. Außerdem werde der Bereich der BSE-Forschung kurzfristig ausgebaut, teilte das Ministerium am Wochenende mit.

Heute treffen sich die EU-Agrarminister in Brüssel, um über ein gemeinsames Vorgehen bei der Bekämpfung von BSE zu beraten. Am 1. Januar 2001 soll europaweit befristet auf sechs Monate ein Verfütterungsverbot für Tiermehl in Kraft treten. Außerdem sollen ab 1. Juli alle über 30 Monate alten Rinder auf BSE untersucht werden.

Grüne Spitzenpolitiker trafen sich gestern Abend zu einer Klausursitzung über die Umstrukturierung der Landwirtschaft. THORSTEN DENKLER

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