: Gleiches Recht für alle Pendler
Die rot-grüne Koalition will heute den Streit um die Entfernungspauschale beilegen. Nach dem Willen der SPD soll sich die Höhe der Pauschale nach dem Verkehrsmittel richten. Das lehnen die Grünen ab. Über die hohen Benzinpreise spricht keiner mehr
von MATTHIAS URBACH
Eigentlich sollte die Entfernungspauschale Probleme lösen. Nun ist sie selbst zum Problem geworden. Umweltminister Jürgen Trittin und Parteichefin Renate Künast kritisierten die Einigung der SPD auf eine dreistufige Kilometerpauschale mit deutlichen Worten. „Die Gleichstellung aller Verkehrsmittel bleibt das Ziel der Grünen“, erklärte Künast.
Auch die SPD gab sich entschlossen. Die Grünen begriffen nicht, grantelte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Wolfgang Clement, dass nun allein der Vermittlungausschuss zuständig sei. SPD-Generalsekretär Franz Müntefering sagte, das Thema sei „hinreichend lange“ debattiert worden. Der SPD-interne Kompromiss werde daher „so oder so ähnlich“ kommen.
Die SPD wird sich wohl noch ein wenig bewegen müssen. Denn selbst im Bundesrat ist die Sache nicht eindeutig. Zwar deuteten die großen Koalitionen in Bremen und Brandenburg ihre Zustimmung an, ebenso die sozialliberale Koalition in Rheinland-Pfalz. Die rot-grünen Koalitionen sind dagegen Wackelkandidaten: Clement wird möglicherweise seinen kleinen Koalitionspartner ignorieren, in Schleswig-Holstein ist eine Enthaltung wahrscheinlicher. Auch im rot-grün regierten Hamburg beziehen die Grünen klar Position gegen den Kompromiss.
Heute wollen die Koalitionsspitzen im Kanzleramt den Konflikt bereinigen. Aber auch die Grünen müssen sich bewegen. Günstigere Lösungen können sie sich vorstellen, etwa eine Deckelung, eine Befristung oder eine niedrigere Pauschale von 75 Pfennig. Nicht aber eine Ungleichbehandlung der Pendler.
Nach dem dreistufigen Modell, das die SPD-Minister in der vergangenen Woche vereinbarten, sollen Fernpendler mit dem Auto künftig 80 Pfennig pro Kilometer Entfernung zum Arbeitsplatz von der Steuer absetzen können, Nahpendler unter 10 Kilometer 70 Pfennig und Bus- und Bahnfahrer 60 Pfennig.
Die Entfernungpauschale sollte im vergangenen Herbst den Druck von der Regierung nehmen, als die Proteste der Spediteure gegen gestiegene Benzinpreise auf dem Höhepunkt waren. Damals war die Entfernungspauschale im Hauruckverfahren beschlossen worden. Ursprünglich sollten nur Autofahrer mehr bekommen – und zwar 90 Pfennig. Erst auf Drängen der Grünen kam die verkehrsmittelunabhängige Entfernungspauschale auf den Tisch. Das wollen aber viele SPD-Landesminister nicht bezahlen. Sie sind ohnehin verärgert, dass sie stets mit dem Bund zusammen sparen müssen, aber nur Hans Eichel für den Sparkurs die Lorbeeren erntet. Obwohl noch nicht beschlossen, hat die Diskussion um die Entfernungspauschale ihr taktisches Ziel bereits erfüllt – niemand klagt derzeit über „hohe Benzinpreise“. Gelingt bis zum Freitag ein Beschluss, würde die Pauschale ihr Ziel gleich noch einmal erfüllen. Sie träte dann zum 1. Januar in Kraft – zeitgleich mit der nächsten Stufe der Ökosteuer.
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