: Endrunde bei Böll-Prozessen
Irans Justiz nennt Berliner Konferenz staatsfeindlich. Das deutsche Außenamt schweigt
BERLIN taz ■ Die Prozesse in Teheran gegen die iranischen Beteiligten an der Iran-Konferenz der Heinrich-Böll-Stiftung im vergangenen April in Berlin sind in ihrer Endphase. Am Sonntag verhandelte das Revolutionsgericht zum letzten Mal die Fälle des Übersetzers Chalil Rostamchani (49) und des Publizisten Akbar Gandschi (47). Gegen Rostamchani, der bei der Vorbereitung der Konferenz in Teheran als Übersetzer tätig war, wurde von Staatsanwalt Abdollah Scharifi der Vorwurf erhoben, er habe das islamische System Irans stürzen wollen. Dafür spreche auch sein langjähriges Engagement als kommunistischer Aktivist. Zudem seien in seiner Wohnung regimefeindliche Flugblätter gefunden worden.
Die Konferenz der Heinrich-Böll-Stiftung, als Dialog mit den iranischen Reformkräften gedacht, war mit der iranischen Regierung abgesprochen. Dennoch sind mittlerweile alle an der Veranstaltung beteiligten Iraner in Teheran angeklagt. Die Verfahren gelten als Affront der konservativen Justiz gegen das Reformlager um Präsident Mohammad Chatami. Einige iranische Beobachter sprechen gar von einem Angriff gegen die Deutschlandpolitik der Regierung.
Seit das Berliner Kammergericht 1997 die damalige konservative iranische Staatsführung der Urheberschaft eines Mordanschlages auf oppositionelle iranische Kurden in dem Berliner Restaurant Mykonos beschuldigte, gilt Deutschland Irans Reformgegnern als Lieblingsfeind. Das Auswärtige Amt hält sich mit öffentlichen Protesten gegen die Teheraner Verfahren zurück. Aus Grünen-Kreisen ist mittlerweile zu hören, die Iran-Politik des Fischer-Ministerium schließe an den „Kritischen Dialog“ des Amtsvorgängers Klaus Kinkel (FDP) an, nur dass „dieser Dialog heute nicht einmal mehr kritisch ist“.
Am Sonntag formulierte der Teheraner Staatsanwalt erstmals offiziell den Vorwurf, die Konferenz habe den Umsturz des iranischen Staatssystems zum Ziel gehabt. Rostamchani, dem Übersetzer der deutschen Botschaft in Teheran, Said Sadr, und dem schiitischen Kleriker Hassan Jussevi Eschkevari wird zudem der Vorwurf gemacht, sie seien „Moharib“ – „Kämpfer gegen den Islam“. Damit droht ihnen die Todesstrafe.
Die Verfahren in Teheran sind öffentlich – eine Ausnahme bei politischen Prozessen in der Islamischen Republik. Konservative Kreise dürften dies inzwischen bedauern. Besonderes Aufsehen erregt das Verfahren gegen Akbar Gandschi. Der ehemalige Geheimdienstler nutzt das Forum, um Insiderwissen preiszugeben. So erklärte er in der vergangenen Woche, für die Mordserie an iranischen Intellektuellen Ende 1998 sei der damalige Geheimdienstminister Ali Fallahian persönlich verantwortlich.
Unterdessen geht Irans Justiz weiter gegen Reformer vor. Am Wochenende wurde bekannt, dass bereits am Donnerstag acht Regimekritiker verhaftet wurden. Sie hatten sich in einer Moschee getroffen, um dem vor zwei Jahren vermutlich von iranischen Agenten ermordeten Schriftsteller Madschid Scharif zu gedenken. THOMAS DREGER
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