: Rock And Roll People
Im Opec-Prozess berichtet Kabarettist Matthias Beltz über das Ende der Freundschaft mit dem Angeklagten Klein: Abschiedsgruß mit Pornos nach Streit über RAF-Attentate
FRANKFURT taz ■ Lustig war das nicht. Der Auftritt des Kabarettisten Matthias Beltz vor dem Frankfurter Landgericht geriet gestern Vormittag eher ernst. Beltz war als Zeuge im Prozess um das Opec-Attentat vom Dezember 1975 in Wien geladen. Beltz sagte aus, er habe den Hauptangeklagten Hans-Joachim Klein seit 1970 „sehr gut gekannt“. Er habe ihn bei Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg und bei Hausbesetzungen kennen gelernt, ihn gemocht, sich gut mit ihm verstanden. Klein habe als Mechaniker sein Auto, ebenso wie das des heutigen Bundesaußenministers Joschka Fischer, repariert.
Die legendäre „Putzgruppe“, bei Demonstrationen für Prügeleien mit der Polizei zuständig, zu der Klein, Beltz und Fischer ebenso wie etliche heute etablierte Frankfurter Prominente gehörten, habe es, sagte Beltz, als feste Organisation nie gegeben. Sie sei eigentlich nur ein „Medienereignis“. Einige Männer hätten sich damals in eher lockerer Formation zu körperlicher Ertüchtigung zusammengefunden, weil sie die Erfahrung gemacht hätten, dass „bei Demos die Frauen die Militanteren waren“. Das habe man in der damaligen „Kultur des Angebens“ nicht auf sich sitzen lassen wollen.
Schon vor dem Attentat habe er sich mit Klein politisch auseinander gelebt. Der habe, im Gegensatz zu Beltz, bei Attentaten der RAF gejubelt und sei von der eher verbalradikalen, studentischen Szene enttäuscht gewesen. Sie hätten sich darüber gestritten. Klein habe ihm im Herbst 1975, sozusagen als politischen „Abschiedsgruß“, Pornohefte und einen Zettel mit der Aufschrift „Wichs Dir einen“ an die Tür gehängt. Er habe das als Kritik daran empfunden, dass „wir uns schon wieder an das bürgerliche Leben ranrobbten“, aber nicht so ernst genommen. Er sei völlig überrascht gewesen, als er Kleins Bild nach dem Opec-Attentat in der Zeitung gesehen habe: „Da ist ein Foto eines guten Bekannten auf der Seite eins, der kommt da mit einem Bauchschuss aus einem Haus raus.“
Beltz beantwortete die Frage, ob er Klein nach dessen Ausstieg aus dem Terrorismus 1977 unterstützt habe, mit einem klaren Ja. Er habe sich im Frühjahr 1977 zweimal mit Klein in Mailand getroffen und damals mit niemandem als dem grünen Europaabgeordneten Daniel Cohn-Bendit darüber geredet. Der sei in seinem Freundeskreis und in der Linken „der Außenminister“ gewesen und habe Klein nach Frankreich vermittelt. Der heutige Amtsinhaber, Fischer, habe da noch gar nichts von den Kontakten der beiden zu Klein gewusst. Klein habe „wahnsinnige Angst“ vor einer Verfolgung durch seine ehemaligen Genossen gehabt, sich aber auch vor Geheimdiensten, vor allem dem israelischen Mossad, gefürchtet. Später habe er Klein auch in seinem Versteck in Frankreich besucht und mit ihm über den Opec-Anschlag diskutiert. Die Tat sei Klein gerade gegenüber seinen ehemaligen Frankfurter Freunden „sehr peinlich“ gewesen. Er habe sich geschämt, weil er auf den damaligen Kommandoführer Illich Ramirez Sanchez, „Carlos“, hereingefallen sei: „Der hat ihn in etwas hineingezogen, was nicht revolutionär war, sondern nur eine kriminelle Ballerei.“ Es habe Klein „ungeheuer geschmerzt“, dass er „offensichtlich zu blöd war, das vorher zu merken“. Am 16. Januar 2001 soll Außenminister Fischer in Frankfurt aussagen. HEIDE PLATEN
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