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Geschichten vom Hass

Seit Jahren schreibt der Berliner Journalist Frank Jansen über rechte Gewalt. Auch Drohungen aus der Szene halten ihn nicht auf. Jetzt wird sein Engagement mit einem Menschenrechtspreis belohnt

von ANNETTE ROGALLA

So ganz nebenbei erzählt er die Geschichte, als ihm zum ersten Mal Neonazis begegneten. Das war am 8. April 1991. Er stand an der Stadtbrücke in Frankfurt (Oder) und wartete auf die ersten Besucher, die aus Slubice herüberkommen durften, ohne zuvor ein Visum beantragt zu haben.

Frank Jansen wollte berichten vom freundlichen Empfang alter Nachbarn. Aufgeschrieben hatte er eine Geschichte vom Hass. Als der erste Bus mit polnischen Kennzeichen auf die Brücke zurollt, grölt es hundertfach aus deutschen Kehlen: „Sieg Heil“; es fliegen Steine und Bierflaschen, Windschutzscheiben gehen zu Bruch. Die jungen Rechten inszenieren eine Straßenschlacht. Polizei und Bundesgrenzschutz setzen Schlagstöcke ein. Seit zwanzig Minuten herrscht Reisefreiheit zwischen Polen und Deutschland.

„Diese Kälte und Aggression haben mein naives westdeutsches Anstandsdenken nachhaltig erschüttert“, sagt Jansen. Seitdem schreibt der Journalist über kaum ein anderes Thema mehr. Er kennt sie ziemlich genau, die frei flottierenden Rechtsradikalen aus Brandenburg und organisierten Neonazis. Jansen spürt ihren internationalen Verknüpfungen nach, berichtet über ihre Demonstrationen, über rassistischen Überfälle – und über ihre Opfer. Immer wieder. Auch in Zeiten, in denen diese Themen keine Konjunktur haben, überzeugt er seine Kollegen vom Berliner Tagesspiegel von der Notwendigkeit einer kontinuierlichen Berichterstattung.

Am Sonntag wird seine Beharrlichkeit ausgezeichnet. Gemeinsam mit der Selbsthilfegruppe „Brandenburger Flüchtlinge“ und der „Opferperspektive e.V.“ erhält der 41-Jährige die Carl-von-Ossietzky-Medaille der Internationalen Liga für Menschenrechte. Im September legte er, zusammen mit Kollegen von der FR, eine Fleißarbeit vor: In einer dreiseitigen Beilage veröffentlichten sie alle Verbrechen mit rechtsextremen und fremdenfeindlichen Hintergrund seit der deutschen Einheit. 93 Tote in zehn Jahren. Das Bundesinnenministerium hatte bis dahin 26 Todesopfer gezählt.

Dienstherr Otto Schily versuchte eine blasse Erklärung: unterschiedliche Zählweisen von Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt, keine einheitliche Kategorisierung der Fälle bei Gericht. Es half nichts. Allen war aber schon klar geworden: Gerade in den neuen Ländern gibt es ein gesellschaftliches und polizeiliches Umfeld, in dem Rechtsextremismus nicht wahrgenommen wird.

Jansen wird von Neonazis bedroht. Kürzlich kam ein Rechtsanwalt aus der Szene im Gerichtsflur auf ihn zu und faselte von einer „Machtübernahme im Jahr 2005“. Leise bellte er: „Dann werden Sie zu mir kommen, denn dann bestimme ich, wer Jude ist.“

Neonazis sind keine Monster. Sie sind fanatisch, bekloppt – aber ernst zu nehmen. „Sie ticken wie eine Weltuntergangssekte; sie sind nicht zu kurieren“, sagt Jansen. Er will sie verstehen. Nur wer ihre Mentalität kenne, könne sie in Schach halten. Frank Jansen bleibt an ihnen dran.

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