: Kölner legen sich quer zu Demo
25.000 KölnerInnen und viele Künstler demonstrierten gegen Aufmarsch von Rechtsradikalen. Nur 120 Neonazis kamen zur Demonstration, Veranstalter Worch war enttäuscht. Rechte biederten sich mit ihren Parolen an: „Freiheit für die Palästinenser“
aus Köln PASCAL BEUCKER
Von der Bühne tönen die Stimmen von BAP-Sänger Wolfgang Niedecken und Ex-Bläck-Föss Tommy Engel. „Arsch huh, Zäng ussenander“, fordern sie. Dem braunen Mob dürfe nicht die Straße überlassen werden. Dann singen die beiden den Kölsch-Klassiker „In unserem Veedel“. Die unübersehbare Menschenmenge auf dem Hohenzollernring jubelt ihnen dabei zu. Und skandiert: „Nazis haut ab!“ Protest gegen rechts auf Kölsch.
Am Samstag demonstrierten 25.000 Kölnerinnen und Kölner gegen rechts. Unter dem Motto „Köln stellt sich quer“ protestierten sie gegen einen Aufmarsch von rund 120 Neonazis in der Domstadt. Dazu aufgerufen hatte ein buntes Spektrum Kölner Initiativen und Verbände – vom katholischen Stadtdekanat bis zur DKP, vom DGB bis zur autonomen Antifa. Von den im Kölner Stadtrat vertretenen Parteien fehlten nur die „Republikaner“ und die CDU. Denn schließlich sind Nazis „unkölsch“, wie die Kölner Boulevardzeitung Express getitelt hatte.
Der Marsch der Rechten in Köln unter dem Motto „Meinungsfreiheit auch für so genannte Neonazis“ war ursprünglich vom Polizeipräsidenten Klaus Steffenhagen verboten worden. Das Kölner Verwaltungsgericht hatte das Verbot jedoch am Vorabend unter Auflagen aufgehoben. Es war der dritte braune Umzug in der Domstadt innerhalb von 18 Monaten. Enttäuscht zeigten sich die Veranstalter, unter ihnen der Hamburger Neonazi Christian Worch, über die bescheidene Beteiligung, hatten sie doch statt mit 120 mit bis zu 1.000 Teilnehmern gerechnet. Drei Stunden marschierte der kleine braune Geisterzug durch menschenleere Straßen. Die Rechten, mehrheitlich Skinheads, grölten dabei Parolen wie „Deutschland den Deutschen“, „Wir kriegen euch alle“ und auch „Freiheit für die Palästinenser“.
Rechtsradikale Ausschreitungen und Antisemitismus seien weder unüberlegtes Handeln, noch seien sie „schlechtes Benehmen oder Ausrutscher von wenigen“, betonte der Vorsitzende der Kölnischen Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, Jürgen Wilhelm, auf der Abschlusskundgebung und erinnerte an die Verantwortung der Politik: Es gebe politische Worte, „die zu bestimmten Zeiten gesprochen wie geistige Brandstiftung wirken“.
Am Ende der Veranstaltung, an der zahlreiche Kölner Künstler, Musiker und auch der 1.-FC-Köln-Trainer Ewald Lienen teilnahmen, rief der BAP-Sänger Wolfgang Niedecken dazu auf, den Nazis friedlich entgegenzuziehen, um so deren Marsch durch Köln zu verhindern. Seinem Aufruf folgten rund 5.000 Demonstranten.
Obwohl die Polizei mit über 2.000 Bereitschaftspolizisten aus mehreren Bundesländern die Wegstrecke der Neonazis weiträumig abgesichert hatte, gelang es einzelnen Gegendemonstranten mit Sitz- und Liegeblockaden den braunen Marsch kurzzeitig zu stoppen. Bei vereinzelten Auseinandersetzungen zwischen Gegendemonstranten und Polizei erlitten acht Beamte leichte Verletzungen, 25 Personen wurden nach Polizeiangaben vorläufig festgenommen. Am kommenden Samstag will Christian Worch in Dortmund aufmarschieren. Auch hier ist bereits eine Gegendemonstration geplant.
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