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Polens Premier greift zum Telefon

Als bekannt wird, dass Spanien im Rat zwei Stimmen mehr als das gleich große Polen erhalten soll, beginnt hinter den Kulissen hektisches Strippenziehen. Madrid sichert sich weiteren Zugang zu EU-Töpfen

NIZZA taz ■ „Danke für den schönen Blick: dreißig Staatschefs für nur 450 Francs die Nacht“ – schrieb gestern Morgen ein Tourist ins Gästebuch des Hotel Campanile in Nizza. Trotz strenger Polizeisperren hatte er seinen Spaß gehabt und Glück dazu: Er konnte die Stadt wie geplant wieder verlassen.

Früh abgereist waren auch die meisten Mitglieder der polnischen Delegation. Als Samstagmorgen der französische Vorschlag auf den Tisch kam, Polen im Rat zwei Stimmen weniger als dem gleich großen Spanien zu geben, blieben polnische Proteste zunächst aus. Die portugiesische Delegation informierte polnische Journalisten, die alarmierten Warschau – so wird in Europa Politik gemacht.

Der polnische Premier rief seinen spanischen Kollegen an. Aznar versicherte, er stecke gar nicht hinter der Idee, Polen kürzer zu halten als Spanien. Da fragte Warschau bei Schröder nach. Der sagte, er sei auch nicht schuld, werde sich aber bei Frankreichs Präsident Chirac dafür einsetzen, dass beide Länder gleich behandelt würden. Als die Franzosen am Nachmittag die nächste Kompromissversion vorlegten, war das heikle Kapitel Stimmengewichtung im Rat ausgespart – die Strippenzieher hinter den Kulissen arbeiteten.

Der polnische Regierungsbeauftagte für die Beitrittsverhandlungen, Jacek Saryusz-Wolski machte seinem Ärger schließlich deutlich Luft: „Polen erwartet den gleichen Status wie Spanien. Wenn man das demographische Potenzial in Rechnung stellt, ist eine Unterscheidung zwischen beiden nicht akzeptabel.“ Sonntagmorgen zirkulierte schließlich ein aktualisierter Vorschlag: Polen und Spanien sollen je 28 Stimmen im Rat erhalten, die vier Großen Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Italien je 30. Auch bei den Parlamentssitzen werden Polen und Spanien gleichgestellt.

Madrid scheint bereit, diesem Vorschlag zuzustimmen. Die spanische Forderung, über Strukturfördermittel im Minsterrat weiter einstimmig zu entscheiden, bleibt aber auf dem Tisch. Erst 2007, in der nächsten Finanzplanungsperiode, soll zur qualifizierten Mehrheit übergegangen werden. Spanien könnte sich bei der Agenda 2006 noch einen kräftigen Schluck aus der Kohäsionsflasche genehmigen, bevor es durch die Konkurrenz „ärmerer“ Länder im Osten unweigerlich vom Nettoempfänger zum Nettozahler wird.

Warum aber hat das mittelgroße Land, das am meisten Geld aus dem EU-Topf bezieht, auf Gipfeln immer die besten Nerven? Theorien darüber gab es gestern in Nizza im Dutzend billiger: Spanien habe vor Wochen zugestimmt, dass Gelder aus dem Mittelmeerprogramm auf den Balkan umgeleitet werden. Auch habe Spanien bei der europäischen Aktiengesellschaft, die am Freitag beschlossen worden war, seine Bedenken gegen Mitbestimmungsmodelle zurückgestellt und deshalb nun einen Bonus in der Strukturfondsfrage.

Vielleicht ist die Antwort – wie oft in Europa – viel banaler: Gipfelveteranen berichten, dass Aznar von allen das beste Stehvermögen habe. Er sei noch hellwach, wenn die anderen längst abgeschaltet hätten.

DANIELA WEINGÄRTNER

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