Offensive gegen Kabilas Basis

Während die UNO über die Zukunft ihrer Beobachter im Kongo nachdenkt, starten die Rebellen die schwersten Angriffe seit zwei Jahren. 100.000 Zivilisten sind auf der Flucht

GOMA taz ■ Pünktlich zu den Beratungen des UN-Sicherheitsrates über die Zukunft der UN-Beobachtermission in der Demokratischen Republik Kongo haben Kongos Rebellen eine Großoffensive begonnen, die zum Sturz von Präsidenten Laurent Kabila führen soll. Truppen der RCD (Kongolesische Sammlung für Demokratie), die den Osten und das Zentrum des Landes beherrschen, und der mit ihr verbündeten Armee Ruandas haben in Kongos Südprovinz Katanga die geltende Waffenstillstandslinie durchbrochen und sind tief in Kabilas Heimatprovinz vorgedrungen.

Nachdem sie am 3. Dezember die Stadt Pweto an der Grenze zu Sambia einnahmen, stießen sie schnell weiter nach Süden vor und erlangten Zugang zu einer Straße, auf der man theoretisch in fünf Stunden in Katangas Hauptstadt Lubumbashi fahren kann. Nach eigenen Angaben waren RCD-Vortrupps Ende letzter Woche nur noch 120 Kilometer von Lubumbashi entfernt.

Es ist das erste Mal, dass Ruanda und die RCD die starken Verteidigungslinien der mit Kabila verbündeten Armee Simbabwes um die südkongolesischen Bergbaugebiete durchbrechen. Mehrere tausend simbabwische Soldaten haben sich nach Sambia abgesetzt, Kabilas Soldaten und die auf ihrer Seite kämpfenden ruandischen und burundischen Hutu-Milizen sind auf dem ungeordneten Rückzug. Vor ihren Plünderungen sind nach UN-Angaben über 100.000 Zivilisten auf der Flucht. 60.000 haben bereits die Grenze nach Sambia überschritten.

„Katanga ist Kabilas letzte Bastion“, triumphiert in der Rebellenhauptstadt Goma RCD-Sprecher Kin-Kiey Mulumba. „Wenn Lubumbashi fällt, ist Kabila am Ende. Eines Tages wird er ein Flugzeug suchen und abhauen.“ In Katanga rekrutiert Kabila seine treuesten Soldaten; hier verdient er sein Geld an den reichen Mineralienvorkommen. Sein handverlesenes Übergangsparlament hat seinen Sitz in Lubumbashi, das auch das Hauptquartier der Soldaten aus Simbabwe und Hutu-Rebellen aus Burundi ist, die ihn unterstützen. Ohne Katanga, so gestehen selbst RCD-Kritiker zu, sind Kabilas Tage gezählt.

Vom UN-Friedensprozess im Kongo, der seit der Unterzeichnung des so genannten Lusaka-Abkommens im Sommer 1999 zwischen den Kriegsparteien theoretisch im Gange ist, spricht bei den Rebellen keiner mehr. Zwar unterschrieb die RCD am vergangenen Mittwoch mit ihren Gegnern in Simbabwes Hauptstadt Harare einen neuen Vertrag zur Truppenentflechtung, aber darauf angesprochen, fängt Kin-Kiey an zu lachen: Solange Kabila bei seinem Kurs bleibe, sei diese Unterschrift „sinnlos“.

Die RCD hat gut lachen. Sie hat diese Offensive sorgfältig vorbereitet. Ende Oktober wechselte die RCD unter Anleitung Ruandas ihre Führung aus und gab sich eine Kriegsregierung, die sich um die zivile Verwaltung ihres Territoriums kaum noch kümmert und sich vor allem an der Front aufhält. Unabhängigen Beobachtern zufolge wurden seitdem große Mengen an Rüstungsgütern an die Front geflogen. Gomas Rebellenrundfunk fordert Jugendliche immer wieder dazu auf, sich zur Armee zu melden. Dennoch wird es wohl noch bis zum Ende der Regenzeit Ende Januar dauern, bis die Rebellen an allen Kriegsfronten vorrücken. Bis dahin hoffen sie jedoch, Kabila in Katanga so zu schwächen, dass es auch in Kongos Hauptstadt Kinshasa zu Aufständen der zivilen Opposition kommt.

Der neue Kriegsausbruch markiert das Scheitern der UN-Beobachtermission im Kongo (Monuc). Die in Goma stationierten Angehörigen dieser Mission sind ohnehin demoralisiert und reiben sich zwischen Ohnmacht nach außen und Intrigen im Inneren auf. Einer der 18 zivilen Monuc-Mitarbeiter mit Erfahrung in den großen UN-Missionen Afrikas spricht vom schlimmsten Chaos, das er je gesehen habe. Was die vier Militärbeobachter der Monuc angeht, ist es in Goma einfacher, einen Diamantenhändler zu finden als jemanden, der weiß, wo ihr Hauptquartier ist. Dabei liegt es mitten in der Stadt.

Am Freitag schlug UN-Generalsekretär Kofi Annan eine Verlängerung des Monuc-Mandats für sechs Monate ab 15. Dezember vor. Aber den UN-Hilfsorganisationen in Goma ist klar, dass damit nur Zeit gewonnen werden soll, um eine grundlegende Neuorientierung der UN-Arbeit im Kongo zu überlegen: weg von dem gescheiterten Versuch, einen Friedensprozess zu überwachen, hin zu reiner humanitärer Hilfe für die Kriegsvertriebenen des Kongo, deren Zahl heute bei weit über zwei Millionen liegt und täglich wächst.

DOMINIC JOHNSON