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EP in der Zwickmühle

Lehnt das Europäische Parlament den Vertrag von Nizza ab, ist dies auch ein Signal gegen die Osterweiterung. Doch diese will man nicht verzögern

BRÜSSEL taz ■ Der Vorsitzende der konservativen Fraktion im Europaparlament, Gerd Pöttering, hatte gestern in Straßburg sichtlich Mühe mit der Selbstbeherrschung. Bei allem Respekt für den französischen Staatspräsidenten – dessen Bewertung des Nizza-Gipfels als historische Leistung könne er nicht teilen. „Wir haben einen Gipfel erlebt, wo wir am Fernsehschirm spüren konnten, dass auch die Staatschefs an ihre psychischen und physischen Grenzen kommen.“ Mit Sorge sehe das Parlament, wie sich die Europapolitik auf die zwischenstaatliche Ebene zurückverlagere.

Chirac lauschte den Worten des deutschen Parteifreunds mit einem Gesicht, als hätte er Zitronen verschluckt. In seiner Antwort aber bestätigte er indirekt Pötterings These, dass die Staatschefs mit dem Verhandlungsgeschäft in der jetzigen Form überfordert sind: Ein technischer Fehler sei schuld daran gewesen, dass Polen in der ersten Version des Kompromisspapiers weniger Ratsstimmen zugedacht waren als Spanien.

Das Parlament antwortete mit Hohngelächter auf diese dreiste Lüge. Tatsächlich hatten die Franzosen erst nach massiven Protesten polnischer Politiker und Interventionen der belgischen und der portugiesischen Regierung eine korrigierte Fassung vorgelegt, in der Polen ebenso viele Stimmen wie Spanien zugestanden werden.

Das Wortgefecht um Polens künftige Stellung im Rat zeigt, in welcher Zwickmühle sich das Europaparlament nun befindet. Übereinstimmend sagen Rat, Kommission und Parlament, dass neue Mitglieder erst aufgenommen werden können, wenn die Reform des EU-Vertrags abgeschlossen ist. Das Parlament hat bei Vertragsänderungen kein Mitspracherecht. Seine Ablehnung würde aber als Signal gesehen – die Nationalparlamente von Belgien und Italien wollen den Nizza-Vertrag ohne Billigung des EU-Parlaments nicht unterzeichnen. Der Fahrplan für die Erweiterung wäre geplatzt.

Sollte das EU-Parlament sich für Nachbesserungen aussprechen, widerspräche es den politischen Zielen, die es selbst vorgegeben hat. Denn der französische Abgeordnete Alain Lamassoure hat vorgeschlagen, dass bei der Europawahl 2004 bereits die erste Gruppe neuer Mitglieder beteiligt sein soll.

Stimmt das Parlament aber für den Vertrag von Nizza, so tut sich die Zwickmühle an anderer Stelle auf. Beim Beitritt neuer Mitglieder hat das Parlament nämlich ein Mitspracherecht. Es müsste dann für die Erweiterung einer Union stimmen, die es selbst nicht für erweiterungsfähig hält, da die Strukturprobleme nicht gelöst sind.

Dieses Dilemma ist nun vertagt worden. Am Donnerstag wird das Plenum eine Nizza-kritische Resolution verabschieden. Dann soll der konstitutionelle Ausschuss das Ergebnis des Gipfels bewerten. Frühestens im Januar wird über den Vertrag von Nizza abgestimmt. Die Kandidatenländer haben schon sehr deutlich gesagt, was sie dann vom Parlament erwarten: dass es einer reibungslosen Ratifizierungsphase nicht im Weg steht.

DANIELA WEINGÄRTNER

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