Gefangenenaustausch verzögert sich

Komplizierte Verhandlungen zwischen Israel und der libanesischen Hisbullah unter Teilnahme deutscher Vermittler

JERUSALEM taz ■ Ein Gefangenenaustausch zwischen der Hisbullah-Miliz und Israel stehe keinesfalls kurz bevor, warnte Hisbullah-Generalsekretär Hassan Nasrallah am Mittwochabend im libanesischen Fernsehen und setzte damit den durch Medienberichte geweckten Hoffnungen auf die Rückkehr von drei im Oktober entführten Soldaten und eines vermutlich in Brüssel gekidnapten israelischen Geschäftsmanns einen Dämpfer auf.

Nasrallah bestätigte, dass die vier Gefangenen am Leben seien, sagte jedoch nichts über ihren Gesundheitszustand. Der Preis, den die Hisbullah für ihre Freilassung verlange, sei rein humanitär, man wolle einen Gefangenenaustausch, aber auch die Herausgabe von Leichen libanesischer Kämpfer, Informationen über das Schicksal von vier 1982 während Israels Libanon-Invasion entführten Iranern sowie Karten über die von Israel im Südlibanon gelegten Minen. „Falls die Israelis unseren Forderungen zustimmen, kann der Austausch sofort durchgeführt werden“, erklärte Nasrallah.

Die libanesische Tageszeitung Al-Mustakbal, die dem Ministerpräsidenten Rafik Hariri gehört, hatte am Mittwoch berichtet, Verhandlungen über einen Gefangenenaustausch liefen „auf Hochtouren“. Der Gesundheitszustand der Soldaten, die während der Entführung verwundet wurden und sich in Behandlung befänden, verschlechtere sich. Nach Angaben aus Beirut, die in Israel betätigt wurden, vermitteln im Libanon deutsche Sicherheitsbeauftragte zwischen Hisbullah und Israel.

Laut Al-Mustakbal ist ein Austausch in zwei Stufen vorgesehen. In der ersten Phase sollen die drei Soldaten gegen 14 libanesische Häftlinge, darunter die prominenten Kleriker Abdel Karim Obeid von Hisbollah und Mustafa Dirani von der schiitischen Amal-Bewegung, ausgetauscht werden, im zweiten Stadium fünf weitere Libanesen gegen den in Brüssel verschwundenen Geschäftsmann Elchanan Tannenbaum, der sich im Gewahrsam der radikalislamischen Bewegung befinden soll. Hisbullah hat erklärt, es handele sich bei Tannenbaum um einen Mitarbeiter des israelischen Geheimdienstes.

Unterdessen wächst der psychologische Druck auf die israelische Regierung. Wegen des vollständigen Mangels an Informationen über das Schicksal ihrer Angehörigen haben die Familien der Geiseln bereits scharfe Kritik am Roten Kreuz und dem Verteidigungsministerium geübt. „Hisbollah hat die israelische Gesellschaft und ihre Empfindlichkeiten jahrelang studiert“, sagte Boaz Ganor vom Internationalen Institut für Terrorismusbekämpfung in Herzliya. „Der über die Medien verbreitete Hinweis auf den sich verschlechternden Gesundheitszustand der Soldaten appelliert an unsere Verantwortung und kann kaum unbeantwortet bleiben.“

Noch am Dienstag hatte das israelische Oberste Gericht Anträge auf Freilassung von Dirani und Obeid zurückgewiesen. Israel fordert als Teil jedweder Übereinkommen Informationen über das Schicksal des 1986 im Libanon verschwundenen Luftwaffen-Navigators Ron Arad. Hisbullah-Führer Nasrallah machte jedoch in seiner Erklärung deutlich, dass weder Arad noch Tannenbaum Teil der gegenwärtigen Austauschverhandlungen sein könnten. ANNE PONGER