Bildungsbehörde behindert Behinderte

■ Weil sie schon „Behindertenermäßigung“ bekommen, erhalten behinderte Lehrer keine „Altersermäßigung“ / Verhandlungen stehen jetzt an / Dennoch herrscht allseits Resignation

Bremens schwerbehinderte LehrerInnen fühlen sich von Bildungssenator Willi Lemke (SPD) schlecht behandelt. Besonders die Alten klagen. Während nicht behinderte Lehrkräfte in Bremen nämlich ab dem 55. Lebensjahr eine „Altersermäßigung“ bekommen, sind die Schwerbehinderten von einer Verkürzung des vollen Unterrichtsdeputats um eine Wochenstunde bei vollem Lohnausgleich ausgenommen.

Die besondere Arbeitgeberleistung, die für angestellte und beamtete LehrerInnen im fortgeschrittenen Alter gleichermaßen gilt, wurde 1983 in Bremen eingeführt. Offizelle Begründung: die besondere Belastung von Lehrern. Allerdings gelten zwei Ermäßigungen als ausgeschlossen. „Und Schwerbehinderte bekommen ja schon Behindertenermäßigung“, sagt Behördensprecher Reiner Gausepohl. Nächsten Monat werde es wegen der Forderungen nach Altersermäßigung ein Gespräch zwischen der Behindertenvertretung und Bildungssenator Lemke geben, dem er nicht vorgreifen wolle.

Die Behindertenvertreter sehen dem Treffen nicht sehr hoffnungsfroh entgegen. Die Haushaltslage Bremens sei ja bekannt, ebenso Lemkes Verweise darauf, dass in anderen Bundesländern die Altersermäßigung schon ganz abgeschafft sei – wie in Hamburg. Zwar ließ der 53-jährige Marathon-Mann Lemke verlauten, dass er dem Hamburger Beispiel nicht folgen wolle. Im Gegenteil werde er das jüngste Urteil des Bundesarbeitsgerichts umsetzen – wonach künftig auch teilzeitbeschäftigten LehrerInnen ab 55 Jahren eine anteilige Altersermäßigung erhalten sollen. Aber für Behinderte will er keine weiteren Ermäßigungen.

„Wir werden auch älter“, sagen unterdessen die schwerbehinderten PädagogInnen. Die reduzierte Unterrichtsbelastung auf Grund einer Behinderung sei eine Sache – die Altersermäßigung eine andere. „Es ist doch klar, dass wir für manches länger brauchen, oder dass wir mehr Ruhezeiten haben müssen, um das Pensum zu schaffen“, sagen sie. Das Alter komme hinzu. Nach ihren Berechnungen bilden behinderte LehrerInnen in Bremen das Schlusslicht auf der deutschen Ermäßigungs-Skala.

In Bremen gilt: Eine Lehrkraft, die zu 60 Prozent schwerbehindert ist, unterrichtet drei Stunden weniger als eine nichtbehinderte. In Hessen sind es bis zu fünf Wochenstunden weniger, in Schleswig-Holstein vier, in Hamburg und Nordrhein-Westfalen können amtsärztliche Regelungen weitere Stundenreduzierungen ergeben. Selbst in Hamburg stünden – nach Abschaffung der Altersermäßigung für alle – behinderte LehrerInnen besser als in Bremen da, weil die Behindertenermäßigung über der in Bremen liege. Noch größer werde der Abstand zu Ländern, wo sowohl Alters- als auch Behindertenermäßigung gewährt werden. Während die zu 60 Prozent eingeschränkten Lehrer über 55 in Bremen nur drei Stunden Ermäßigung bekommen, seien es in Schleswig-Holstein sechs Wochenstunden. Gleiches sei in Hessen möglich. In Nordrhein-Westfalen gebe es sogar bis zu acht Stunden Nachlass.

Der Schwerbehindertenvertreter der LehrerInnenschaft, Hermann Tietke, hat ausgerechnet, dass die Gewährung von Altersermäßigung für die schwerbehinderten LehrerInnen in Bremen rund 66 Unterrichtsstunden „kosten“ würden. Zugleich wies die letzte Vollversammlung der schwerbehinderten LehrerInnen Bildungssenator Willi Lemke auf das „ambitionierte Programm der Bundesregierung“ hin, wonach in den nächsten drei Jahren 50.000 Schwerbehinderte neue Arbeitsplätze finden sollen. Für die Reduzierung der Stunden durch eine Altersermäßigung auch für behinderte LehrerInnen könne Lemke einen Beitrag dazu leisten – mit einem Einstellungskorridor für Schwerbehinderte. ede