: Hardliner ganz soft
Beckstein rudert zurück: Leitkultur „gefährlicher Begriff“
NÜRNBERG taz ■ Sie könnten nicht unterschiedlicher sein: Der eloquente, liberale Vizepräsident des Zentralrats der Juden, Michel Friedman, und der Hardliner in Fragen der Ausländerpolitik, Bayerns CSU-Innenminister Günther Beckstein. Auf Einladung der DGB-Jugend stritten die beiden am Donnerstagabend in Nürnberg über Rechtsextremismus und „deutsche Leitkultur“.
Immerhin, CDU-Mitglied Friedman vermochte Beckstein zu entlocken, dass dieser Begriff „gefährlich, weil missverständlich“ sei. Friedman kritisierte die mangelnde „Sensibilität in Sprache und Gedanken“ Becksteins. Als dieser verhalten zurückruderte, hakte Friedman sogleich nach. „Mein Rat: Die CSU hat einen Fehler gemacht, Schwamm drüber, verabschieden Sie sich von dem Begriff.“ Das ging Beckstein doch zu weit: „Begriffe sollte man nicht einfach abgeben.“
Der Innenminister mühte sich lieber an einer Definition und mixte den Cocktail „deutsche Leitkultur“ aus Christentum mit einem Schuss Aufklärung, Humanismus und „einer weiten Toleranz“. Natürlich müssten sich Ausländer „hier bei uns erheblich integrieren und anpassen“. Aber denjenigen, die darunter eine Hierarchisierung von Kultur verstünden, will er entschieden entgegentreten.
Zwischenrufern, die ihn als „geistigen Brandstifter“ bezeichneten, hielt Beckstein seine Bilanz im Kampf gegen rechts vor. Er habe schließlich das NPD-Verbot angestoßen und dafür gesorgt, dass „Ausländer in Bayern am sichersten“ lebten. Dann sprach er sich gar dafür aus, bei Asylfällen künftig „in Grenzfällen großzügiger“ zu sein. Beckstein wäre aber nicht Beckstein, würde er nicht sogleich ein härteres Vorgehen „gegen den glasklaren Missbrauch“ fordern. „Ich bezweifle nicht, dass der bayerische Innenminister im Kampf gegen rechte Gewalt hart durchgreift, aber ich bezweifle, dass sich alle CSU-Politiker für das Zusammenleben der Kulturen einsetzen“, entgegnete Friedman. Er forderte „nicht einen Aufstand der Anständigen, sondern einen Aufstand der Zuständigen“. Die Formulierung fand Beckstein so gelungen, dass er sie gleich notierte. BERND SIEGLER
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