piwik no script img

Kritik an Schröder

EU-Kandidat Polen lehnt Plan des Bundeskanzlers, Arbeitsmarktzugang zunächst zu begrenzen, ab

WARSCHAU taz ■ „Sieben magere Jahre in der Europäischen Union“ drohen den Polen nach ihrem EU-Beitritt. So reagierten die polnischen Medien gestern auf den jüngsten Vorschlag von Bundeskanzler Schröder. Dieser hatte am Montag im oberpfälzischen Weiden ein Fünf-Punkte-Programm zur schrittweisen Öffnung des EU-Arbeitsmarktes vorgelegt und dabei eine Übergangsfrist von sieben Jahren für Arbeitnehmer aus den neuen Mitgliedsstaaten gefordert.

Tatsächlich scheint die Angst des Westens vor der „Billigkonkurrenz aus dem Osten“ größer zu sein, als der tatsächliche Wille der Arbeitnehmer, nach dem EU-Beitritt ihres Landes ihr Glück im Westen zu suchen. Denn seit die Grenzen visafrei zu überqueren sind, haben Bauarbeiter, Bergleute oder Krankenschwestern ja längst die neuen Arbeitsmöglichkeiten genutzt. Wer legal arbeiten will, muss einige bürokratische Hürden nehmen, die aber zu bewältigen sind. Die anderen arbeiten auch heute schon schwarz im Westen. Die Zahl der Arbeitnehmer würde sich nicht schlagartig erhöhen, vielmehr würde sich mit der Freizügigkeit nur das Verfahren der Arbeitnahme vereinfachen.

So scheinen die harschen Reaktionen der Polen verständlich. Der frühere Ministerpräsident Polens Jozef Oleksy, der vermutlich nach den nächsten Wahlen wieder in der Regierung sitzen wird, fragte sich „angesichts der Forderung Schröders, worin eigentlich die Unterstützung der Deutschen für die Osterweiterung der EU zu suchen“ sei. Es gebe noch immer kein Beitrittsdatum, es gebe ein fest angekündigtes Ende der Verhandlungen, ja es gebe vonseiten Deutschlands überhaupt keine Verpflichtungen. Jan Kulakowski, der die Beitrittsverhandlungen auf polnischer Seite führt, erklärte, die polnische Regierung gehe davon aus, „dass Polen nach unserem Beitritt zur EU in allen Mitgliedsländern arbeiten können“. Michal Kaminski von der regierenden „Wahlaktion Solidarność“ sieht die Polen wieder einmal als „Bürger zweiter Klasse behandelt“, wenn natürlich auch ihm bekannt ist, dass Spanien und Portugal 1986 eine ebenfalls siebenjährige Übergangsfrist hatten.

Aus Brüssel hieß es gestern, dass die EU ihre endgültige Position zu diesem Thema noch im Frühjahr 2001 festlegen werde.

GARIELE LESSER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen