: Nicht allzu viele Visionen präsentiert
Kultursenatorin Weiß sinnierte mit der Musik- und Medienwirtschaft über die Zukunft ■ Von Alexander Diehl
Zum fünften Mal trafen sich am Mittwoch die nicht nur lokale Medien- und Musikbranche und Wirtschaftsförderung zum „Branchentreff“. 1998 von der Hamburgischen Gesellschaft für Wirtschaftsförderung (HWF) initiiert, widmet sich das Come-Together ein- bis zweimal jährlich bestimmten Schwerpunkten. Diesmal sollte es einmal mehr um jenes Thema gehen, von dem etwa auch die Branchenmesse PopKomm. im Sommer wiederholt geprägt war: Die Veränderungen durch die je nach Perspektive atemberaubenden oder Besorgnis erregenden technologischen Entwicklungen von Digitalisierung und Onlinemedien. Deren Effekte auf Herstellung und vor allem Vertriebs- und Vermarktungsformen des von je her weitgehend virtuellen Produktes „Medieninhalt“, sei es Musik, sei es Software, werden den betreffenden Branchen die zukünftigen Umsätze bescheren – freilich auch die Sorge darum. Folgerichtig stand über dem Treffen die Frage „Das Musikunternehmen der Zukunft – wie wird es aussehen?“
Der Austragungsort, die hochgelegene Panoramakuppel eines hafennahen Hotels, ließ zwar weiten Blick über die Hansestadt zu, um deren Geschicke als Medienstandort es nicht zuletzt gehen sollte. Inhaltlich ging der Veranstaltung der besagte Weitblick indes ein wenig ab, zumindest im offiziellen Teil: Ein Round-Table-Gespräch stand auf dem Plan, diskutieren sollten unter der Leitung des Fachjour-nalisten Jürgen Stark Experten und Praktiker: Heinz Canibol (EMI Electrola), Eckart Gundel (BMG Ariola), Burkhard Järisch (DaimlerChrysler Research), Produzent Franz Plasa (u.a. Selig, Echt), Medienunternehmer Frank Otto, Prof. Werner Hay (Deutsche Phono-Akademie), Andreas Schulz (NDR-Online), Manager Axel Schulz (u.a. Die Ärzte) – und nicht zuletzt Hamburgs Kultursenatorin Christina Weiß.
Während sich die Branchenherren naheliegenderweise gut kannten und bisweilen munter rauh miteinander umsprangen, nahm Weiß eine Sonderstellung ein: Mochten die Vertreter der laut Starke „vielleicht gar nicht so richtigen Industrie“ keinen kulturellen Auftrag für ihren – in vulgo: kommerziellen – Umgang mit kulturellen Produkten erkennen, ging es der Kultursenatorin, nach den Möglichkeiten politischer Intervention in sich wandelnden kulturellen Bereichen gefragt, um vergleichsweise unbequeme Fragen: Nachwuchsförderung, neben den Aktivitäten der Clubförderung und -unterstützung insbesondere auch im Sinne von – und da schauderte manch abgehärteter Fachmann – Musikunterricht. So wenig relevant solche Aspekte für das zukünftige Wohl der Musikindustrie scheinen mögen, wies Phonoakademie-Präsident Prof. Hay doch darauf hin, dass analog zum schwindenden Selbermachen von Musik eben auch der Stellenwert des Musikkonsums als Hobby oder Zeitvertreib betroffen sei.
Zukunftsforscher („nicht Prognostiker“) Järisch verwies auf zunehmende Diversifikation auch des Freizeitverhaltens und skizzierte vier Szenarien unterschiedlich ausgeprägten Medienkonsums, die auch vorsahen, dass das Produkt Musik mit immer mehr anderen Medieninhalten und Konsumformen um die selben Zeit- und Geldbudgets konkurrieren müsse.
Selten indes wandte man sich wirklich der Zukunft zu: Viel wurde retrospektiv verhandelt, diesjährige weltweit erfolgreiche Beatles-Wiederverwertungen handelte man als beispielhaft für „Katalogarbeit, die sich endlich einmal auszahlt“ (Gundel) oder auch „musikalische Qualität“ (Plasa), von der ohnehin alles abhänge. Anstelle von Prognosen riet man eher zwischen Besonnenheit angesichts des Ausgangs mancher in den vergangenen Jahren angekündigten Revolution – die „traditionellen“ Labels müssten ihre Geschäfte immer noch selbst machen, während so manche Dotcom-„Raketenforscher“ (Canibol) nicht mehr am Markt seien. Wiederholt wurde die Wichtigkeit der Kreativität – Gundel: „Wissen in Werte verwandeln“ – beschworen, die es gebe, aber unzureichend abgeschöpft werde: etwa seitens der zuständigen A&R-Abteilungen, den „Kaiserinnen einer Firma“ (Gundel). Ansonsten war man sich im großen und ganzen einig: „wir müssen nicht so besorgt sein“ (Plasa).
Produktiver war dann möglicherweise der Gedankenaustausch, der ungelenkt im Anschluss stattfand, als zu Speisen und Getränken gebeten wurde.
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