: Müller mit Atommacht
Wirtschaftsminister kann durch neues Energiewirtschaftsgesetz den Import von Atomstrom verbieten. Durch Novelle mehr Wettbewerb bei Erdgas möglich
BERLIN dpa/taz ■ Zu früh gefreut: Hatte es zunächst für die Stromkonzerne Deutschlands so ausgesehen, als könnten sie Atomstrom aus dem Ausland importieren, wenn sie ihn schon nicht hier produzieren dürfen, ist dem nun ein Riegel vorgeschoben. Mit der gestern von der Bundesregierung beschlossenen Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes kann Bundeswirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) entscheiden, ob er den in der Vergangenheit als „schmutzigen Strom“ betitelten Atomstrom unsicherer osteuropäischer Kraftwerke hereinlassen möchte oder nicht. Dazu ermächtigt ihn eine Schutzklausel in der Neufassung des Energiewirtschaftsgesetzes. Das Kabinett stimmte der Novelle gestern zu. Der Entwurf muss noch den Bundestag passieren.
Umweltschutzorganisationen hatten der Bundesregierung wiederholt vorgeworfen, das durch den geplanten Atomausstieg verdorbene Geschäft der Atomindustrie durch freie Importregeln zu konterkarieren. Im Auge hatten sie dabei Kraftwerke wie das tschechische AKW Temelín, das zur Zeit im Probelauf ist, wegen Pannen aber wiederholt abgeschaltet werden musste. Sollte es nicht zu dem geplanten Export von Strom nach Deutschland kommen, betrage der Verlust mehrere Milliarden Kronen,hatte sich der Sprecher des tschechischen Energiekonzern CEZ, Ladislav Kriz, Ende November beschwert. Die CEZ ist Betreiber von Temelín.
Eine von Müller vorgeschlagene freiwillige Selbstverpflichtung zum Verzicht auf den Import von „schmutzigem Strom“ hatten die Stromkonzerne abgelehnt. Durch die Anbindung Deutschlands gelange automatisch auch Atomstrom ins Land, hatten sie vor wenigen Tagen argumentiert. Bei europaweiten Leitungen könne der Strom nicht physisch nach Energiequellen sortiert werden. Ein Importverbot stellt laut dem Geschäftsführer des Verbandes der Industriellen Energie und Kraftwirtschaft (VIK), Jürgen Budde, ein „erhebliches Potenzial zur Gefährdung von deutschen Arbeitsplätzen und der Umwelt in Europa dar“. Ziel könne nur sein, etwa durch eine Stilllegung „schmutziger Kraftwerke“ die Stromerzeugung den EU-Standards anzupassen und nicht den grenzüberschreitenden Stromhandel zu unterbinden.
Mit dem geänderten Energiewirtschaftsrecht wird die seit August geltende EU-Richtlinie für die Öffnung der Gasmärkte in nationales Recht umgesetzt. Danach muss der deutsche Gasmarkt die Pipelines für die Durchleitung Dritter öffnen. Nach Strom soll es damit auch bei Gas mehr Wettbewerb geben. Der Entwurf enthält auch eine Klausel, mit der die Regierung Energieimporte aus EU-Ländern regulieren kann, wenn deutsche Unternehmen nicht im gleichen Umfang in diese exportieren können. Zuletzt war das Gesetz im April 1998 geändert worden.
Die Öffnung des Gasmarktes in Deutschland kommt nur schleppend voran. Gaswirtschaft sowie Industrie und kommunale Unternehmen hatten sich Anfang Juli in einer freiwilligen Verbändevereinbarung auf Regeln für einen diskriminierungsfreien und transparenten Netzzugang Dritter verständigt. Die Verbände sind aber untereinander zerstritten und werfen sich gegenseitig Blockadehaltung vor. Müller erwägt deshalb eine gesetzliche Regelung zur Gas-durchleitung. Die Verbändevereinbarung kommt bislang nur Großkunden zugute. Privathaushalte können erst ab 2002 auf mehr Wettbewerb und damit sinkende Preise hoffen.
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