piwik no script img

Rätselhaftes Projekt am unbespielten Ort

■ Wort-Ton-Symbiose auch in den Kulturbahnhof-Hallen: Pläne des Theaters N.N.

Im Büro seines kleinen Theater N.N. sitzt der Regisseur im Wollpullover. Dieter Seidel studierte in Leipzig Filmregie, arbeitete für das DDR-Fernsehen und inszenierte freiberuflich an Ostdeutschen Bühnen. „Natürlich gab es da Schwierigkeiten mit der Zensur“, sagt Seidel, „das ist zwar eine Zeit lang reizvoll, aber irgendwann wird es zu eng und man muss raus.“ So verließ er noch vor der Wende die DDR und gründete sein eigenes Theaterensemble, das im April 1999 im Altonaer Kulturbahnhof festen Standort bezog.

„Mit den Zuschauerzahlen sind wir soweit zufrieden“,sagt Seidel, dessen Theater 60 bis 70 BesucherInnen Platz bietet. Im gerade zu Ende gehenden Jahr boten er und seine vier bis fünf festen Mitstrei-terInnen genau 101 Vorstellungen an. „Wir müssen jetzt kein privates Geld mehr zuschießen“, sagt Seidel der für sein Projekt von der Kulturbehörde „zwar positives Feedback, aber kein Geld“ bekommt. Gerade hat er die sogenannte Basisförderung zum vierten Mal beantragt. „Die 25.000 Mark wären eine große Hilfe“, sagt der Regisseur zwischen zwei Schlucken „Fruchtoase“ und verrät die Pläne des Theaters für das kommende Jahr: Im Januar trägt Minni Oehl zu Kontrabass-Begleitung Texte aus Briefen der Bildhauerin Camille Claudel vor.

Geplant ist außerdem eine Matinee zu Heinrich Heine. Dieser Theaterform will Seidel künftig mehr Gewicht geben: “ Wir werden mehr mit Musik und Theater verknüpfte Lesungen veranstalten und uns der Verschmelzung und gegenseitigen Beeinflussung verschiedener Kunstgenres widmen“, sagt der Regisseur, der mit kargem Theater die Phantasie der ZuschauerInnen anregen möchte, ohne zu belehren.

Nicht viel verraten will Seidel über eine „große Inszenierung an einem Ort, an dem nie Theater gespielt wurde, wie die Weill-Revue, die wir dieses Jahr vor unserem Theater an den Bahngleisen aufgeführt haben“. Im Vordergrund steht die „künstlerische Auseinandersetzung mit einem Ort – nicht „dessen bloße Benutzung als billiges Bühnenbild“.

Weil das gut ankam, und der Regisseur die Routine nicht liebt, wird das Stück in einer Brettl-Variante im Februar Premiere feiern: „Auf kleinstem Raum, mit maximalem Biss!“ Wer nicht solange warten will, kann sich bis dahin von Weismann und Rotgesicht oder Du bist meine Mutter aus dem Alltagstrott reißen lassen. Susie Reinhardt

Du bist meine Mutter: 25.+ 26. Januar, 20 Uhr, Weisman und Rotgesicht: 25.+ 26., 29.+ 30. Dezember und 5.-7.,12.-14., Januar, 20 Uhr, Theater N.N., Harkortstraße 81, Luke 18

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen