: Reemtsma-Zeuge: Drach war der Kopf
Im Prozess um die Entführung Jan Philipp Reemtsmas belastet Komplize Koszics den Angeklagten Drach schwer
HAMBURG ddp ■ Der mutmaßliche Drahtzieher im Entführungsfall Reemtsma, Thomas Drach, ist am zweiten Prozesstag vor dem Hamburger Landgericht erneut schwer belastet worden. Sein einstiger Komplize Wolfgang Koszics schilderte in seiner Zeugenaussage am Donnerstag Drach als den Kopf der Kidnapperbande. Vom Verbleib des Gros der erpressten 30 Millionen Mark Lösegeld wollte Koszics keine Kenntnis haben.
Der Anwalt Reemtsmas, Johannes Schwenn, sagte am Rande des Prozesses, Koszics habe deutlich gemacht, dass Drach der Haupttäter gewesen sei, der sich „durch Rücksichtslosigkeit ausgezeichnet“ habe. Die ursprünglich geplante Aussage des Entführungsopfers Jan Philipp Reemtsma vor Gericht wurde vertagt und wird nun erst im nächsten Jahr erwartet.
Nach Einschätzung Schwenns ist Koszics, der in der Sache bereits rechtskräftig zu zehneinhalb Jahren Haft verurteilt worden ist, „sehr bemüht“, alles zur Aufklärung des Tatgeschehens zu tun. Es gebe auch „keine Anhaltspunkte dafür“, dass Koszics mit seiner Aussage, nichts über den Verbleib der Millionen zu wissen, die Unwahrheit sage. Auch Staatsanwalt Peter Stechmann zeigte sich außerhalb der Verhandlung überzeugt davon, dass der frühere Komplize nichts vom Verbleib des Lösegelds weiß. Er betonte, schon die Tatsache, dass Drach davon 20 Millionen Mark für sich beansprucht habe, Koszics jedoch nur fünf bis acht Millionen Mark bekommen sollte, verdeutliche die unterschiedliche Tatbeteiligung.
Koszics legte vor Gericht dar, wie zwei Geldübergaben in den Harburger Bergen bei Hamburg und in Luxemburg scheiterten, ehe eine letzte bei Krefeld gelang. Nach den anfänglichen Misserfolgen sei er „in Panik“ geraten. Er habe erwogen, Reemtsma in seinem Geiselverlies in Garlstedt freizulassen. Drach habe es jedoch abgelehnt, Reemtsma ohne Lösegeld ziehen zu lassen. Die Entscheidungen in dem Entführungsfall habe stets Drach getroffen, betonte der Zeuge. Dieser habe auch die Erpresserbriefe an die Familie geschrieben, von dessen Inhalt er damals nichts gewusst habe, sagte Koszics. So habe Drach eigenständig die ursprüngliche Lösegeldforderung, mit der Drohung, einen Finger des Opfers abzuschneiden, um zehn Millionen Mark nach oben geschraubt. Er habe seine Rolle in dem Entführungsfall vor allem darin gesehen, das Lösegeld zu waschen.
Dem wegen erpresserischen Menschenraubs angeklagten Drach drohen bis zu 15 Jahre Haft. Der Prozess wird am 2. Januar fortgesetzt.
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