piwik no script img

Noch keine Auslieferung

Das kanadische Auslieferungsverfahren gegen das angebliche Mitglied der Revolutionären Zellen, Lothar Ebke, verzögert sich bis in den Sommer 2001

Bei minus 40 Grad Außentemperatur begann vor wenigen Tagen im kanadischen Yellowknife das Auslieferungsverfahren gegen den Exhausmeister des Mehringhofs, Lothar Ebke. Der Berliner wird in der Bundesrepublik beschuldigt, Mitglied der Revolutionären Zellen (RZ) gewesen zu sein. Doch im Gerichtssaal hatte sein Anwalt Wes Wilson aus Toronto einige Überraschungen vorbereitet. Überraschungen mit Wirkung: Lothar Ebke wird vorläufig nicht ausgeliefert.

Zwar könne, so Wilson, in Deutschland ein Bürger aufgrund eines Ermittlungsverfahrens verhaftet werden, in Kanada benötige man für diesen Eingriff in die Bürgerrechte allerdings eine ausformulierte Anklage. Die liege seitens der deutschen Behörden aber nicht vor. Außerdem sei ihm bei Durchsicht der Belastungsmaterialien aufgefallen, dass der einzige Belastungszeuge, der jüngst verurteilte Straftäter Tarek Mousli, noch nicht einmal vereidigt worden sei. Damit bestünden doch erhebliche Zweifel an der grundsätzlichen Zulässigkeit des ganzen Auslieferungsverfahrens.

Ebke war am 18. Mai dieses Jahres an seinem Wohnort nahe dem Polarkreis von kanadischen Polizisten verhaftet worden. Ihm werden in einem Auslieferungsantrag von der deutschen Bundesanwaltschaft unter anderem die Mitgliedschaft in den RZ sowie die Beteiligung an zwei Sprengstoffanschlägen vorgeworfen. Dabei handelt es sich um die versuchte Sprengung der Siegessäule im Januar 1991 und den Anschlag auf die Zentrale Sozialhilfestelle für Asylbewerber im Februar 1987. Die Vorwürfe beruhen allein auf belastenden Aussagen des inzwischen als Kronzeuge für die BAW tätigen Tarek Mousli. Nach einem Monat in Auslieferungshaft war Ebke gegen die Hinterlegung einer Kaution von 150.000 Mark und unter strengen Meldeauflagen wieder freigelassen worden.

Um Zeit zur Klärung der grundsätzlichen Bedenken zu geben, verschob der ortsansässige Richter John Vertes das Verfahren auf Ende Mai 2001. Ein zweites gegen Ebke anhängiges Verfahren wegen Verletzung der Einwanderungsbestimmungen wurde auf Anfang April 2001 verschoben. CHRISTOPH VILLINGER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen