HERA LIND BEKOMMT ENTSCHÄDIGUNG FÜR WERBUNG WIDER WILLEN
: Vordemokratische Demut

Babs hat Boris geohrfeigt. Boris hat die Kreditkarten von Babs zerschnitten. Das Baby im Bauch von Jenny Elvers ist unbeschreiblich süß. Rudolf Scharping ist mit seiner Gräfin wahnsinnig glücklich, fast so glücklich wie sich Joschka Fischer kürzlich mit seiner Frau gezeigt hat. Zlatko hat sich Fett absaugen lassen. Dieter Bohlen hatte Sex im Teppichladen. Sind noch Fragen offen? Nur Geduld. Sie werden nicht unbeantwortet bleiben.

Viele Intimtitäten und dunkle Geheimnisse sind vorstellbar. Etwas aber sprengt die Grenzen selbst der kühnsten Phantasie: dass es etwas geben könnte, wozu sich Prominente nicht sofort bereitwillig äußern. (Fast) alle erzählen alles, immerzu. Ein besonders prägnantes Beispiel für die lukrative Vermarktung des eigenen Privatlebens ist Hera Lind: glückliche Familie, erfolgreiches Management der multiplen Talente, Trennung vom Vater ihrer Kinder, neue Liebe, noch mehr Glück. Das Leben kann so schön sein.

Jetzt wird es noch schöner: Zeitungsberichten zufolge muss der Musical-Konzern „Stella AG“ an die Bestsellerautorin 140.000 Mark Schmerzensgeld bezahlen. Das Unternehmen hatte mit einem Foto der bereits damals zerbrochenen Lind-Familie für eine Show geworben und darunter geschrieben: „Auseinandergelebt? Unser Family & Friends-Ticket hilft.“ Darin sieht Hera Lind eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte. Natürlich möchte sie im Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit stehen. Aber, bitte schön, nur zu ihren eigenen Bedingungen. Das wird man doch wohl verlangen dürfen. Ja, offenbar darf man das.

Vielleicht ist die Werbung des Konzerns nicht besonders geschmackvoll. Aber wenn schon ein derartiger Witz teuer zu stehen kommt, dann lässt sich risikolos nur noch Hofberichterstattung betreiben. Ohnehin verschwimmen allmählich die Grenzen zwischen unabhängigen Medien und PR-Agenturen. Beckenbauer hat ein uneheliches Kind? Das schreiben wir nur, wenn er damit einverstanden ist oder andere es vor uns geschrieben haben. Er könnte ja übel nehmen.

Es ist verständlich, wenn Prominente versuchen, Berichte und selbst satirische Beiträge über ihre Person zu zensieren und Medien zu instrumentalisieren. Aber sie dürften mit diesem Versuch keinen Erfolg haben. Wer sein Image mit Informationen über sein Privatleben pflegt, dem sollte im Gegenzug auch mehr zugemutet werden dürfen als Normalbürgern. Das Gegenteil trifft zu: Der frühere Lebensgefährte von Hera Lind bekommt dem Vernehmen nach für die Stella-Werbung nur 35.000 Mark. Die Demut gegenüber bekannten Persönlichkeiten nimmt in dieser Gesellschaft allmählich vordemokratische Züge an. BETTINA GAUS