: erinnern als eine schöne kunst betrachtet: ein interview-buch mit Billy Wilder
Dieses Buch musste um seine Entstehung kämpfen. Nach all den „langweiligen“ Veröffentlichungen, die es bereits über ihn gebe, wollte Billy Wilder partout nicht einsehen, wer sich für Interviews interessieren könnte, in denen ein 94-Jähriger über „das alte Zeugs“ redet, „reicht doch höchstens für eine Kolumne“. Aber Cameron Crowe ließ nicht locker, und nachdem er sich für eine Nebenrolle in seinem Film „Jerry Maguire“ bereits eine ziemlich trockene Wilder-Abfuhr eingeholt hatte, fragte er einfach drauflos. Herausgekommen ist das Gesprächsbuch „Hat es Spaß gemacht, Mr. Wilder?“, eine Reihe von relativ chaotischen, assoziativen Gesprächen, die eher einer Unterhaltung beim Abendessen gleichen als einer systematischen Werkbegehung. Billy Wilder sitzt in seinem Büro, guckt hin und wieder Tennis, lutscht weiße TicTacs, wundert sich über das Interesse seines Gegenübers und erinnert sich: an Gary Coopers Eleganz und Charles Laughton, den besten Schauspieler der Welt, an die Licht-Tricks der Dietrich und den ewigen Leinwand-Halbschlaf der Garbo. Er erzählt, gelassen, gewitzt und völlig unhierarchisch, von den merkwürdigen Hausunfällen eines Assistenten genauso wie von den Unverschämtheiten eines abstinenten Bogart. Er sinniert über Marilyn Monroe, deren montröse Verspätungen ihn zum Wahnsinn trieben, deren Spiel ihm aber immer noch den größten Respekt abnötigt. Bei Wilder wird die Anekdote zur Kunstform, wobei ihm völlig gleich ist, ob er selbst etwas mit ihr zu tun hat. Dass Anekdoten eine lebenskluge Form des Verdrängens sein können, wird immer wieder deutlich, wenn es um Wilders Mutter geht, die in Auschwitz ermordet wurde. So ist Crowes Buch auch ein zärtliches Buch über die Vergänglichkeit, über Unsterblichkeit und Sterben der Stars, über das, was bleibt, „wenn wir irgendwann alle da oben in diesem komischen Café sitzen“ (Wilder). nicCameron Crowe: „Hat es Spaß gemacht, Mr. Wilder?“, Diana Verlag, München, 372 S., 78 DM FOTOS: AUS DEM BESPROCHENEN BAND
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen