: „Wir waren einfach nur Studenten“
Israelis und Palästinenser lernen und leben zusammen in Hamburg. In der Heimat sind sie wieder Feinde. Dort konnte das Projekt nicht fortgesetzt werden ■ Von Sandra Wilsdorf
Drei Wochen lang waren sie Tag und Nacht zusammen. „Wir gehen als Freunde“, sagt die Informatiklehrerin Meira Sasi aus Israel über ihre palästinensischen Kollegen. Mit denen hat sie ein knappes halbes Jahr einen Computerkurs absolviert. Zunächst in Israel und Palästina, und die letzten drei Wochen in Hamburg. Wenn sie nun zurück nach Hause fliegen, sind sie offiziell wieder Feinde.
Elf palästinensische und zwölf israelische Lehrer haben Programmiersprachen und den Umgang mit dem Internet gelernt, damit sie irgendwann gemeinsam unterrichten können – jeweils ein palästinensischer und ein israelischer Lehrer pro Klasse. Das Projekt der israelichschen „Organisation für regionale Kooperation“ wird von der Weltbank, mehreren Computerfirmen, der Stadt Boston und anderen internationalen Organisationen unterstützt. Jeweils eine Woche im palästinensischen Gaza und eine Woche im israelischen Aschkelon sollten die LehrerInnen lernen, was sie für den späteren Unterricht brauchten und dabei Verständnis für den jeweils anderen entwickeln. So die Idee. Die politische Realität jedoch machte ihr einen Strich durch die Rechnung. Ende Oktober eskalierten die Konflikte zwischen Israelis und Palästinensern so sehr, dass das Projekt in der geplanten Form nicht weiterzuführen war.
Hier kommt die Konrad-Adenauer-Stiftung Jerusalem ins Spiel. Die versucht ebenfalls kommunale Partnerschaften zwischen Israel und Palästina zu etablieren. Johannes Gerster, Chef der Stiftung in Jerusalem und ehemaliger CDU-Bundestagsabgeordneter, klinkte sich ein und bat Hamburg um Hilfe.
Nachdem nämlich die CDU-Bürgerschaftsfraktion 1999 eine Reise nach Israel und Gaza unternommen hatte, kam sie mit der Idee einer trilateralen Städte-Partnerschaft im Gepäck zurück: Hamburg, Gaza und damals noch Aschdod, inzwischen Aschkelon.
Der CDU-Fraktionsvorsitzende Ole von Beust wollte, dass Hamburg auf diese Weise „einen Beitrag zur Unterstützung des Friedensprozesses im Nahen Osten leisten könnte“ und erzielte mit dem Vorschlag ungewöhnliche Einhelligkeit in der Bürgerschaft. Ohne jede Gegenstimme wurde der CDU-Antrag zur weiteren Beratung in den Europaausschuss überwiesen.
Das ist jetzt über ein Jahr her, der Senat hat sich noch zu keiner offiziellen Städtepartnerschaft durchringen können. So lief es über informelle Kontakte via CDU, Senat und die Organisation „weltweite Partnerschaft“, dass die jungen Lehrer in Hamburg Gastfreundschaft erfuhren.
Die Konrad-Adenauer-Stiftung bezahlte die Transportkosten, die Stadt Boston den Unterhalt, die Weltbank die Lehrer, und Hamburg spendierte zwei Stipendien und das Freizeitprogramm. „Ein Zeichen der Hoffnung“, nannte Schulsenatorin Ute Pape das Projekt, als sie gestern den LehrerInnen im Rathaus die Urkunden übergab.
„Wir waren wie eine Familie“, beschreibt Meira Sasi die Gruppe. „Und wir haben so viel gelernt“. Über die Computer, aber vor allem übereinander. „Dass wir gemeinsam unterrichten, scheint jetzt eher Tatsache als Traum zu sein“, sagt ihre Kollegin Agamit Maman. Auch wenn es im Moment nicht danach aussieht. „Wir waren nicht Israelis und Palästinenser, wir waren einfach nur Studenten.“
Bis zu 14 Stunden haben sie am Tag gearbeitet. „Wir hatten keine Zeit, Nachrichten zu gucken, und das war gut“, sagt Meira Sasi. Denn die Realität war das Zusammensein. Und aus dem kommt die Erkenntnis: „Wenn wir hier zusammen leben und arbeiten können, können die Politiker auch miteinander reden.“
Nun wird sich zeigen, ob die Freundschaften den Verhältnissen in der Heimat standhalten. Die Palästinenser aus der Gruppe wollen sich lieber nicht öffentlich äußern, „Ich kann das nicht jedem anvertrauen. Bei uns verstehen das in der derzeitigen Situation viele nicht“, sagt ein Palästinenser. Er erklärt den Erfolg des Projektes so: „Wir haben uns an die Regel gehalten: Spreche nie über Politik, Religion und Geld.“
Für die Palästinenser war gestern mittag noch nicht klar, wie sie wieder nach Hause kommen. Die Organisatoren suchten nach Wegen, denn die Stadt Gaza ist inzwischen abgesperrt.
In Hamburg freut man sich indessen über die Gelegenheit zur „projektorientierten Zusammenarbeit der drei Städte“, sagt Stefan Herms, Leiter des Staatsamtes. Für eine richtige Städtepartnerschaft seien allerdings „die Größenordnungen und Interessenlagen zu unterschiedlich“.
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