: Kürzerer Weg vom Rind zum Steak
Mit einem zentralen Bundesamt für Verbraucherschutz wollen die Grünen den Kampf gegen BSE aufnehmen
BERLIN taz ■ Wenn Jürgen Kundke an die Schlachtung eines Rinds denkt, stellt er sich ängstliche Fragen. „Dürfen in Zeiten von BSE Rinderköpfe noch zu den anderen Kadaverhaufen geworfen werden? Müssen die Messer und Sägen nicht jedes Mal in Hyperchlorid getaucht werden, nachdem der Metzger mit ihnen den Rückenmarkskanal des Viehs durchtrennt hat? Schließlich klebt schleimiges Rückenmark an der Schnittfläche.“ Vielleicht tropfen aus abgesägten Rindsköpfen die BSE-Erreger. Vielleicht wischt der Metzger sein Messer an einer bis dahin infektionsfreien Tierhälfte ab.
Der Schlachthof als Ort, an dem sich die Rinderseuche vermehrt? Schon möglich, sagt Jürgen Kundke, Sprecher des Bundesamtes für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BGVV). „Wir müssen so handeln, als wenn an jedem Schlachthof BSE ankommen kann.“ Zum Schutz der Verbraucher sei zumindest eine zentrale bundeseinheitliche Schlachtordnung notwendig, ein flächendeckendes Überwachungsprogramm in der BSE-Diagnostik und eine volle Deklarationspflicht von Futtermitteln.
Der strukturierte Krisenplan, den der BGVV-Sprecher mit leichter Hand am Telefon entwirft, scheitert in der Praxis an den Zuständigkeiten der staatlichen Stellen. Örtliche Gesundheitsämter, Landesbehörden und vier Bundesministerien (Landwirtschaft, Forschung, Gesundheit und Wirtschaft) begleiten den Produktionsweg, den ein Steak vom Rind bis zum Teller zurücklegt. Die zersplitterte Aufsicht nütze den verunsicherten Verbrauchern überhaupt nichts. Gesundheitlicher Verbraucherschutz könne nur gewährt werden, wenn die gesamte Nahrungsmittelproduktion zentral vom Bundesgesundheitsministerium überwacht werde, fordert BGVV-Sprecher Kundke.
Bei den Grünen im Bundestag findet sein Vorschlag Freunde. Ulrike Höffken, agrar- und verbraucherpolitische Sprecherin der Fraktion, will ihren Kollegen im Agrarausschuss bei der heutigen Sondersitzung eine ähnliche Idee präsentieren: Ein neues Bundesamt für Verbraucherschutz sei notwendig, das auch Kompetenzen aus den Bundesländern erhalten soll. Wie die Behörde ausgestaltet sein soll, welchem Bundesministerium sie unterstellt wird, „muss mit dem Koalitionspartner in Ruhe ausgehandelt werden“, sagt eine Fraktionssprecherin.
Seitdem die grüne Gesundheitsministerin Andrea Fischer wegen verschiedener Versäumnisse im BSE-Skandal von allen Seiten kritisiert wird, verlangt sie öffentlich nicht mehr laut nach der Aufsicht über eine neue Behörde. Der SPD-Abgeordnete Heino Wiese hält eine Anbindung an das Bundesgesundheitsministerium „grundsätzlich für sinnvoll“. Doch er bezweifelt, ob Fischer „das noch verkraften kann, bei den Dingen, die sie sonst noch zu leisten hat“.
Von politischen Ränkespielen halten Verbraucherschützer gar nichts. „Schnelle, kompetente Entscheidungen“, will Georg Abel, Bundesgeschäftsführer der kritischen Verbraucherinitiative, sehen. Und mehr Geld. Der Staat könne nicht wohlinformierte Bürger fordern, andererseits aber den Verbraucherzentralen das Geld kürzen. „Verbraucherinitiativen geben schließlich konkrete Hilfestellungen im Dschungel der Informationen“, sagt Abel. „Gesetze und neue Behörden tun dies nicht.“
ANNETTE ROGALLA
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