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EZB ignoriert Greenspan

Während ein wahres Kursfeuerwerk an der Nasdaq die Zinssenkung der US-Notenbank bejubelt, bleibt im Euro-Land alles beim Alten

von NICK REIMER

Das Neueste der ersten Ratssitzung der Europäische Zentralbank (EZB) im Jahr 2001 kam gestern aus Griechenland. Nachdem die Südeuropäer am 1. Januar als zwölftes Mitgliedsland der Währungsunion beitraten, nahm erstmals auch der griechische Notenbankchef an der Sitzung teil – die eigentlich gar keine Sitzung, sondern eine Telefonkonferenz war. Ansonsten bleibt alles beim Alten: Der maßgebliche Zinssatz für Refinanzierungsgeschäfte bleibt auf seinem Oktoberniveau von 4,75 Prozent. Europas Finanzwächter ließen sich nicht von den Vorgaben der USA beeindrucken.

Mit einem noch nie dagewesenen Kursfeuerwerk hatte die Technologiebörse Nasdaq in der Nacht zu gestern die Zinssenkung der US-Notenbank Fed bejubelt. Deren Chef Alan Greenspan hatte am Mittwoch überraschend den Zinssatz für Tagesgeld auf 6 Prozent festgesetzt – satte 0,5 Punkte niedriger. Daraufhin legte die US-Technologiebörse um über 14 Prozent zu – der stärkste Anstieg seit ihrer Gründung 1971. Weltweit zogen die Börsen – wenn auch bescheidener – nach. Besonders gefragt waren Titel der Branchen Technologie, Medien, Telekommunikation. Kursverluste mussten die Werte hinnehmen, die von den Anlegern als „sicherer Hafen“ genutzt worden waren.

An den uneingeschränkt angesehenen Geldwächter Greenspan hatten sich Kritiker herangewagt. Als Greenspan etwa im Mai 2000 nach nur elf Monaten die Zinsschraube anfasste und um 50 Basispunkte auf 5 Prozent anzog, fragten sie nach dem Sinn dieses Schritts. Die Volkswirte verwiesen auf die allgemeine Erkenntnis, dass geldpolitische Schritte doch immer erst nach einem Jahr auf die Realwirtschaft durchschlagen. Am Ende des Jahres 2000 war das Zinsniveau schließlich bei 6,5 Prozent angelangt – der höchste Wert seit 1991. Greenspan hatte seine Zinssteigerungen immer mit der Sorge begründet, dass das exorbitante Wachstum der US-Wirtschaft in eine Inflation münden würde. Doch inzwischen ballen sich Aktienkursverfall und Konjunkturabschwächung in den USA zu einem krisentauglichen Gemisch zusammen. Entsprechend drastisch fiel die Senkung jetzt aus.

Dass nun die EZB nicht nachzog, halten viele Experten für richtig. „Jede andere Entscheidung hätte uns sehr überrascht. Der Konjunkturausblick der EZB ist weiter äußerst positiv“, erklärte Dirk Chlench von der Hypothekenbank in Essen. Die nächste Zinssenkung in der Euro-Zone werde noch eine Weile auf sich warten lassen, urteilte auchHans-Peter Melzer von der Deutschen Bank Research. Diese wäre notwendig, wenn die Konjunkturabschwächung in den USA stärker als erwartet ausfalle, oder wenn der Ölpreis dramatisch sinken würde. Die meisten Experten stimmen Lothar Hessler von Trinkaus zu: „Erst im zweiten Quartal wird es wohl zu einer Senkung der EZB kommen.“

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