: „Der Alte“ spielt „Der Pate“
Köln ehrt heute Konrad Adenauer zum 125. Geburtstag. taz-Recherchen zeigen: Als Oberbürgermeister verstand er es, sein Amt für lukrative Geschäfte zu nutzen
KÖLN taz ■ Bundespräsident Johannes Rau legt einen Kranz an seinem Grab nieder, der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner zelebriert zu seinem Gedenken eine Pontifikalmesse im Dom, und der Berliner Unions-Fraktionschef Friedrich Merz besucht eine Sondersitzung des Kölner Stadtrats – heute jährt sich der Geburtstag Konrad Adenauers zum 125. Mal.
Dass „der Alte“ nicht nur politisch ein Ahnherr Helmut Kohls war, zeigen jetzt auch beeindruckende Dokumente seiner Schaffenskraft in der Weimarer Republik, auf welche die taz bei Recherchen im Berliner Staatsarchiv und im Historischen Archiv der Stadt Köln stieß. Demnach verstand es der Kölner Oberbürgermeister der Jahre 1917 bis 1933 aufs Beste, sein Amt für lukrative Geschäfte zu nutzen.
Während der streng gläubige Zentrumspolitiker auf Katholikentagen gegen „Materialismus und Mammonismus im deutschen Volke“ zu Felde zog, mehrte er fintenreich sein Vermögen. So lieh sich Adenauer 1923 nach einem vertraulichen Tipp der Deutschen Bank 613.000 Reichsmark aus der Stadtkasse, um sich davon Vorzugsaktien der Rheinbraun AG zu kaufen, bei der er auch im Aufsichtsrat saß. 1928 borgte er sich eine Million Reichsmark von der Deutschen Bank, in deren Aufsichtsrat er ebenfalls Mitglied war. Diese Summe hatte ihm noch gefehlt, um für insgesamt 2,8 Millionen Reichsmark Aktien der Glanzstoff AG zu kaufen. Den Tipp gab ihm sein Freund Fritz Blüthgen, Generaldirektor der Firma. Doch mit diesem Deal hatte Adenauer Pech: Der Börsencrash in New York 1929 ließ auch die Glanzstoff-Aktien in den Keller fallen, und die Bank wollte ihren Kredit zurück. Adenauer weigerte sich zu zahlen. Doch um seine Oberbürgermeister-Wiederwahl nicht zu gefährden, verschwieg die Deutsche Bank den Skandal.
Auch schwarze Kassen sind keine neue Erfindung. So sponserte Oberbürgermeister Adenauer aus einem Dispositionsfonds, den er hatte einrichten lassen und über den keine Rechnungslegung stattfand, unter anderem die Deutsche Kolonialgesellschaft und eine Kundgebung „Danzig bleibt deutsch“. Aber auch Strafzettel seines Fahrers wegen Geschwindigkeitsüberschreitung beglich er aus diesem Fonds.
In Erinnerung an sein großes Vorbild plant der heutige CDU-Oberbürgermeister Fritz Schramma die Errichtung eines „Konrad-Adenauer-Gedenkweges“, der ab dem Frühjahr durch Köln führen soll. An zehn markanten Orten wird Einheimischen und Touristen gezeigt, wie Adenauers Schaffen bis in die Gegenwart nachwirkt. Ein entscheidender Ort wird fehlen, denn eine Börse hat Köln nicht.
PASCAL BEUCKER/WERNER RÜGEMER
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