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Geldanleger Gottes

Satte Börsengewinne für die Evangelisch-Reformierte Kirche Basel-Stadt: Ein Anlageprofi sichert die Finanzen für die Seelsorge per Aktienmarkt

„Wir investieren nicht in Atomkraft, Waffen-, Alkohol- und Tabakindustrie und machen keine Direktinvestitionen in Drittweltländern.“

Ebbe im Kirchensäckel? Das kann man von Basels reformierten Glaubensbrüdern und -schwestern nicht behaupten, denn die Evangelisch Reformierte Kirche Basel-Stadt (ERK) schreibt satte schwarze Zahlen: Vier Millionen Franken fuhr Finanzverwalter Dieter Siegrist in die Kirchenscheuer ein, und dies trotz anhaltendem Mitglieder- und entsprechendem Kirchensteuerschwund. Rund 1.000 Abgänge jährlich reduzieren die Einnahmen um 700.000 Schweizer Franken.

Die glänzende Bilanz der Basler Kirche ist die Frucht eines „interessanten Umstrukturierungsprozesses“, wie Anlagemanager Siegrist betont. Den Stein ins Rollen brachte 1990 ein Loch in der Kasse von 1,6 Millionen Franken. Der damals neue Verwalter Dieter Siegrist – er wechselte 1990 als Finanzdirektor der damaligen Pharmafirma Sterling zur ERK – trieb die fällige Reorganisation im Verein mit Synode und Kirchenrat energisch voran. Die Reformierten in Basel legten Gemeinden und kirchliche Dienste zusammen und bauten 30 Prozent der Stellen ab. 1992 konnte die ERK schon wieder mit schwarzen Zahlen aufwarten. Doch neue Einnahmequellen mussten her, um langfristig nicht vom anhaltenden Mitgliederabgang finanziell gefressen zu werden.

Vor diesem Hintergrund gründete die ERK 1998 mit der Bau- und Vermögensverwaltung (BVV) unter der Regie von Finanzspezialist Siegrist eine rechtlich von der Kirche unabhängige Anstalt, der die Basler Kirche ausschließlich ihre Rendite-Liegenschaften mit einem Vermögenswert von rund 25 Millionen Franken überschrieb – ein Novum in der schweizerischen Kirchenlandschaft. „Die Errichtung der BVV dient keinem anderem Ziel als dem, für die Basler Kirche Geld zu erwirtschaften“, unterstreicht der Geldvermehrer Gottes. Das Modell der BVV ist einfach: Die Mietzinseinnahmen, die die BVV mit ihren Liegenschaften erzielt, dienen der Finanzbeschaffung. „Mit diesen Mitteln“, so der umtriebige BVV-Geschäftsleiter, „nehmen wir am Wertschriftenhandel teil.“ Inzwischen habe er ein respektables Portfolio erwirtschaftet, sagt Siegrist mit stiller Freude.

Dabei bedient sich der gelernte Controller professionell jenen finanzwirtschaftlichen Methoden, „wie sie bei unseren Pensionskassen üblich sind“. Demnach kann die BVV nur 50 Prozent ihrer Wertschriften in Aktien anlegen. „Der größte Teil ist sehr konservativ in relativ sicheren Bluechips angelegt“, verrät Siegrist. Doch da sich der international erfahrene Kirchenverwalter als ehemaliger europäischer Finanzdirektor einer amerikanischen Pharmafirma im Nasdaq bestens auskennt, mischt er dort mit einem kleinen Aktienpaket überaus erfolgreich mit. Mit diesen Aktien des amerikanischen Biotech-Sektors „erzielen wir überdurchschnittlichen Gewinn“, erklärt der 51-jährige Anlageprofi. Insgesamt brachte das gesamte Portfolio der BVV 1999 eine Rendite von über 30 Prozent. Für das vergangene Jahr prognostizierte der Basler schon gegen Jahresende einen deutlichen Zuwachs von weiteren sieben Millionen Franken. Dabei leugnet Siegrist nicht, „dass wir kalkuliert Risiken eingegangen sind. Sonst hätten wir in der BVV nicht mit zwölf Millionen Franken vier Millionen Gewinn erzielt“ (siehe Kasten links).

Das Risiko schätzt der reformierte Manager auf Grund seiner großen Erfahrung vor allem mit Biotech-Aktien als „gering“. Zwar räumt Siegrist das Risiko von Verlusten ein – „wie bei jeder Pensionskasse auch“. Doch der Begriff „Spekulation“ wecke falsche Assoziationen. „Wir spielen nicht im Kasino“, stellt der Kirchenverwalter knapp und trocken fest. Was die Haftung für das Restrisiko betrifft, sei die ERK auch aus dem Schneider. Denn für allfällige Verluste an der Börse steht – und hier liegt ein weiterer Vorteil der Gründung der BVV als rechtlich von der Kirche unabhängige Anstalt – die Bau- und Vermögensverwaltung mit den Liegenschaften und ihrem Wertschriftenvermögen gerade. Zudem kontrolliere wöchentlich ein professioneller Risikomanager einer Bank, der zugleich Mitglied des Aufsichtsorgans der BVV ist, „alle unsere Geldbewegungen“. Dieses qualifizierte Controlling gewährleiste eine große Transparenz, ist Siegrist überzeugt.

Wie der beträchtliche Gewinn der BVV verwendet wird, entscheidet allerdings nicht deren Geschäftsleitung, sondern die Basler Kirchensynode. „Wir verwenden das an der Börse erwirtschaftete Geld, um soziale, seelsorgerliche, kulturelle und verkündigende Aufgaben der Kirche zu finanzieren“, unterstreicht Siegrist. Für den Basler Finanzverwalter der ERK lautet die Frage der ethischen Verantwortlichkeit im Blick auf Börsengeschäfte nicht so sehr, „wie erwirtschaften wir das Geld, sondern wie setzt die Kirche dieses Geld ein?“ Er ist überzeugt, dass die Verwendung dieser Gewinne für soziale Zwecke etwa eine „Umverteilung zu Gunsten der Menschen, die an der Börse nicht mithalten können, bewirken“. Es würde einer Alleinerziehenden, die von der Kirche unterstützt wird, nichts nützen, wenn die ERK auf Grund ethischer Überlegungen auf Gewinne verzichten würde, weil die Kirche die Frau finanziell nicht mehr unterstützen könnte, argumentiert der Anlagemanager.

Die bohrende Frage, ob die Börsengewinne, die letztlich im Namen einer christlichen Kirche erzielt werden, ihren eigenen hohen ethischen Ansprüchen entsprechen müssen, beantwortet der Finanzmanager der Basler Reformierten Kirche mit dem Hinweis auf eine Negativliste: „Wir investieren nicht in Atomkraft, nicht in Unternehmen der Waffen-, Alkohol- und Tabakindustrie und machen keine Direktinvestitionen in Drittweltländern.“ Positive Kriterien dafür anzugeben, welche Unternehmen den Konflikt zwischen Geld und in diesem Fall christlichen Geist bestehen, will Siegrist sich nicht anmaßen.

Ein Pionier auf diesem Gebiet ist der Frankfurter Moraltheologe Johannes Hoffmann. Er ist der geistige Vater des renommierten Projekts „Ethisch-ökologisches Rating“. Es soll nachweisen, dass Anleger auf dem Markt durchaus nach ethischen Kriterien operieren können. Wie der Moraltheologe gegenüber Publik-Forum, der Zeitung kritischer Christen in Deutschland, ausführte, könnten kirchliche Investoren fordern: „Wo wir unser Geld anlegen, müssen soziale, ökologische und auch kulturelle Gesichtspunkte berücksichtigt werden.“

WOLF SÜDBECK-BAUR

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