: „Die Minderheit unterwirft sich!“
Der Kampf zweier Linien im Führungszirkel der KP im Wortlaut. Das Ende: Deng gibt den Einsatzbefehl
16. Mai 1989: Krisensitzung des Ständigen Ausschusses des Politbüros (Zhao Ziyang, Li Peng, Qiao Shi, Hu Qili, Yao Yilin), gemeinsam mit den Parteigrößen Yang Shangkun und Bo Yibo
Zhao Ziyang: ... Als ich aus Nordkorea zurückkam, habe ich erfahren, dass das Editorial (in der Volkszeitung, dem Zentralorgan der KP, mit der Etikettierung der Proteste als „Aufstand“. Anm. d. Red.) vom 26. April in vielen Teilen der Gesellschaft auf eine harsche Reaktion gestoßen ist und für die Studenten zum großen Thema wurde. Ich dachte, es wäre am besten, die sensible Frage, ob die Studentenbewegung als Aufstand zu bezeichnen ist, einfach zu umgehen und zu hoffen, dass sich das Thema in Luft auflöst. ... Aber dann haben am 13. Mai einige hundert Studenten einen Hungerstreik begonnen, und eine ihrer wesentlichen Forderungen ist es, die offizielle Sichtweise des Editorials vom 26. April zu überprüfen. Also kann man dieses Problem nicht mehr vermeiden. Wir müssen das Editorial überprüfen, diesen Ton der Konfrontation zwischen und den Studenten wegbekommen. ...
Li Peng: Es ist einfach nicht wahr, Genosse Ziyang, dass sich die offizielle Sichtweise des Editorials vom 26. April auf die große Mehrheit der Studenten bezog. Es ging um die kleine Minderheit, die die Studentenbewegung ... benutzt, ... um einen politischen Kampf gegen die Kommunistische Partei und das sozialistische System zu führen und einen nationalen Aufstand anzuzetteln. ...
Zhao Ziyang: So wie ich es sehe, haben sich sehr viele Studenten erst den Demonstrationen angeschlossen, weil sie die Etikettierung („Aufstand“) für die Bewegung nicht akzeptieren konnten. ...
Li Peng: Genosse Ziyang, die Schlüsselsätze des Editorials vom 26. April kamen aus der Rede des Genossen Xiaoping vom 25. April. ... Sie können nicht verändert werden.
17. Mai 1989: Sitzung des Ständigen Ausschusses des Politbüros im Haus von Deng Xiaoping
Zhao Ziyang: Die hungerstreikenden Studenten haben das Gefühl, so im Rampenlicht zu stehen, dass sie kaum Konzessionen machen können. ...
Li Peng: Vor allem Genosse Ziyang ist für die Eskalation der Studentenbewegung verantwortlich. ... Als er in Nordkorea war, hat ihn das Politbüro um seine Meinung gebeten, und er schickte ein Telegramm zurück, in dem er klar sagte, er sei, „mit Genossen Xiaopings Plänen, mit den Unruhen umzugehen, völlig einverstanden“. Aber nur ein paar Tage später, beim Treffen der Asiatischen Entwicklungsbank am Nachmittag des 4. Mai ... hielt er eine Rede, die den Entscheidungen des Ständigen Ausschusses und dem Geist des Editorials vom 26. April eine schallende Ohrfeige erteilte. ... Trotz eines Berges an Beweisen, dass es bei diesem Aufstand um das Ende der Herrschaft der Kommunistischen Partei und den Sturz des sozialistischen Systems geht, bestand er weiter darauf, dass die Protestierenden „nicht gegen das System an sich sind, sondern nur verlangen, dass wir die Fehler in unserer Arbeit ausräumen“. ...
Deng Xiaoping: Genosse Ziyang, deine Rede vom 4. Mai war ein Wendepunkt. Seither ist die Studentenbewegung stetig schlimmer geworden. ... Sich auf Bahnschienen legen, Leute verprügeln, Sachen zerschlagen, Raub – wenn das kein Aufstand ist, was denn dann? Wenn das so weitergeht, stehen wir bald unter Hausarrest. Nachdem ich über all das lange und genau nachgedacht habe, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass wir die Volksbefreiungsarmee holen und in den Innenbezirken Pekings das Kriegsrecht ausrufen sollten. ...
Zhao Ziyang: Es ist immer besser, eine Entscheidung zu haben. Aber, Genosse Xiaoping, es fällt mir schwer, diesen Plan durchzuführen.
Deng Xiaoping: Die Minderheit unterwirft sich der Mehrheit!
Zhao Ziyang: Ich werde der Parteidisziplin gehorchen. Die Minderheit unterwirft sich der Mehrheit.
21. Mai 1989: Sitzung der Parteigrößen
Deng Xiaoping: ... Ein Glück, dass wir noch da sind, um ein Auge auf die Dinge zu werfen. Zhao Ziyang hat den Aufstand gefördert – es gibt keinen Grund, ihn zu halten. Auch Hu Qili hat im Ständigen Ausschuss nichts mehr verloren.
2. Juni 1989: Sitzung der Parteigrößen mit dem ständigen Ausschuss des Politbüros, der nur noch aus Li Peng, Qiao Shi und Yao Yilin besteht
Li Peng: ... Die reaktionären Elemente glauben, die Regierung könnte einknicken, wenn sie sich weigern, sich vom Platz zurückzuziehen. Ihr Plan ist es, Auseinandersetzungen und Blutvergießen zu provozieren. ... Es wird immer deutlicher, dass der Aufstand von einer Koalition aus ausländischen und heimischen reaktionären Kräften angefacht worden ist. ...
Wang Zhen: Diese gottverdammten Bastarde! ... Sie wollen es nicht anders! Wir sollten die Truppen jetzt gleich losschicken, um diese Konterrevolutionäre zu schnappen, Genosse Xiaoping! Wofür ist schließlich die Volksbefreiungsarmee da? ...
Li Peng: Ich dränge verstärkt darauf, dass wir uns sofort bewegen. ...
Qiao Shi: Die Fakten zeigen, das wir nicht damit rechnen können, dass die Studenten den Platz freiwillig räumen. Wir müssen den Platz säubern, das ist unsere einzige Chance. ...
Deng Xiaoping: Ich stimme mit euch allen überein und schlage vor, dass die Truppen heute Nacht damit beginnen.
Ausführliche Auszüge, eingeordnet vom Mitautor des Buches, Andrew J. Nathan, unter http://63.236.1.211/articles/tiananmen0102.html
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