: „Wir brauchen Absatzgarantien“
taz: Herr Groß, Sie haben einen eigenen Laden auf Ihrem Biohof. Welche Auswirkungen hatte die BSE-Krise bei Ihnen?
Dietmar Groß: Wir sind vor Weihnachten regelrecht überrollt worden: Unsere Umsätze haben sich verdoppelt.
Bleibt es dabei?
Nein, das gibt sich wieder – diese Erfahrung haben wir schon bei anderen Lebensmittelskandalen gemacht. Unter dem Strich wird ein moderater Zuwachs übrig bleiben.
Der Ökolandbau soll nun gestärkt werden. Da kursieren Zahlen von zehn oder zwanzig Prozent Anteil an der Landwirtschaft. Bisher sind es bloß zweieinhalb Prozent. Das muss Sie als Biobauer doch begeistern.
Es ist schön, dass wir intensiv über die Zukunft der Landwirtschaft diskutieren. Das war überfällig. Aber die Parolen, zehn oder zwanzig Prozent Ökolandbau, sind völlig überzogen. Realistische Markteinschätzungen gehen von einem möglichen Marktanteil von drei Prozent aus.
Nun haben wir ja den BSE-Skandal.
Die Bereitschaft, Skandale zu vergessen, ist groß. Außerdem sind auch die Biobauern nicht völlig gefeit vor BSE, auch wenn es bei uns viel unwahrscheinlicher ist. Betriebe, die erst vor einigen Jahren umgestellt haben, könnten durchaus auch betroffen sein. Dann wäre der Vertrauensvorschuss schnell verspielt.
Die meisten Leute denken: „Die Kunden würden ja gerne kaufen, aber die blöden Bauern wollen nicht umsteigen.“ Es ist aber genau umgekehrt, sagen Sie.
Die Bereitschaft der Bauern umzustellen, ist groß. Hier in Hessen haben sechs Prozent der Bauern umgestellt. Aber der hiesige Markt nimmt nur zwei Prozent auf. Viele Biokollegen vermarkten ihr Rindvieh deshalb trotz BSE konventionell – oder können gar nichts absetzen.
Was läuft da falsch?
Bisher wird allein die Produktion gefördert. Sie soll eigentlich den Preisabstand zwischen „bio“ und „konventionell“ ausgleichen – schafft das aber nicht. Bei Getreide zum Beispiel kriegt man nur zwei Drittel von dem, was nötig wäre. Man kann deshalb im Moment einen Biohof kaum wirtschaftlich betreiben. Laut offiziellem Agrarbericht stehen Biobauern sogar finanziell schlechter da als konventionelle Landwirte.
In letzter Zeit haben doch viele Supermärkte angefangen, Bioprodukte in ihr Sortiment aufzunehmen.
Das war die große Hoffnung des vergangenen Jahres, dass das einen Schub bringt. Da wurde ein gemeinsames Ökosiegel herausgegeben, dass auch in Supermärkten Bioware erkennbar macht. Doch der Erfolg blieb aus.
Woran liegt das?
Es fehlt in den Supermärkten an Glaubwürdigkeit. Außerdem sind die Deutschen traditionell nicht bereit, viel für Lebensmittel auszugeben. Wenn nur die Wähler der Grünen oder die Mitglieder von Greenpeace oder des Naturschutzbundes, die ja für Ökolandbau werben, auch Biokost kaufen würden, dann hätten wir schon fünf bis acht Prozent Absatz. Der Biomarkt ist ein klassischer Babbelmarkt. Da redet man drüber – aber kaufen tut man woanders.
Wie kommt man aus diesem Dilemma?
Man sich mal andere Märkte als Beispiel anschauen: Ich empfehle den Strommarkt. Auch dort strebt man zehn Prozent Marktanteil für ökologische Energie an, auch dort ist die Nachfrage nach Ökostrom sehr viel geringer als das Angebot. Deshalb hat man ein Energieeinspeisungsgesetz geschaffen, dass Abnahmepreise für Ökostrom über zehn, zwanzig Jahre garantiert. Hätte man den Strommarkt so geregelt wie den Ökolandbau, wäre der Boom ausgeblieben. Die gerade mal 50.000 Ökostromkunden nehmen nicht einmal ein Prozent des Stroms ab. So aber ziehen wir sogar international Kapital an, um in Deutschland Windkraftanlagen zu bauen.
Welche Lehren ziehen Sie daraus für sich?
Das heißt: Wir brauchen auch im Biolandbau Preis- und Absatzgarantien. Dann können die Bauern gefahrlos umstellen auf Ökolandbau und in Spezialmaschinen und neue Ställe investieren.
Wer soll denn zum Beispiel das Biogetreide abnehmen?
Ich könnte mir vorstellen, dass der Getreidehandel verpflichtet wird, feste Quoten abzunehmen. Ich gebe zu, das wäre sehr kühn.
Moment mal: Sie würden – analog zum Ökostrom – Ihr Biogetreide mit konventionellen Sorten vermischen lassen und so weiterverkaufen?
Genau.
Wer soll die Kosten übernehmen?
Das muss nicht immer groß ins Gewicht fallen, wenn etwa ein Getreidehändler immer fünf Prozent Biogetreide zum konventionellen dazumischt. Bei der Brötchenherstellung etwa fallen die Getreidekosten als Kostenfaktor nicht allzu stark ins Gewicht. Hier in Hessen gibt es zum Beispiel eine Brotfabrik, die mit Biogetreide zu konkurrenzfähigen Preisen Brot backt.
Aber das ist sicher nicht der Regelfall.
Im Zweifel muss der Staat zuschießen. Es gibt ja die Überlegung, ab 2003 die Ökosteuer für ökologische Zwecke einzusetzten. Warum nicht für den Biolandbau? Man könnte auch einen Teil der konventionellen Agrarsubvention umleiten. Vielleicht kommen wir noch auf andere Modelle. Entscheidend ist, dass wir endlich offen darüber debattieren, warum es so hakt in der Ökolandbau-Entwicklung.
INTERVIEW: MATTHIAS URBACH
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