: Pfeiffer will Rechte resozialisieren
Niedersachsen kündigt Aussteigerprogramm für rechte Straftäter an: Einzelbetreuung und Zeugenschutz geplant
BERLIN taz/dpa ■ Während Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) noch die Stimmung in der Regierungskoalition für ein Aussteigerprogramm für rechtsextreme Straftäter auslotet, macht Niedersachsen Ernst: Ein entsprechendes Programm kündigte Justizminister Christian Pfeiffer (SPD), erst knapp einen Monat im Amt, gestern in Hannover an.
In Gefängnissen will er Sozialarbeiter als Ausstiegshelfer einsetzen: Diese sollen jeden inhaftierten Rechtsradikalen einzeln ansprechen und für ihn ein „individuelles Betreuungsprogramm zuschneidern“. Hier gebe es ein ganzes Bündel von denkbaren Angeboten wie eine vorzeitige Entlassung, Hilfen bei Ausbildung oder Wohnungssuche. Möglich sei auch ein Zeugenschutz, wenn Rechtsradikale als Kronzeugen mit Behörden zusammenarbeiten.
Das Land werde aus dem „Programm gegen Rechts“ zwei Sozialarbeiter als Koordinatoren finanzieren. Pfeiffer setzt zudem auf die Unterstützung der Wirtschaft. „Wir suchen Partner, die uns dabei helfen, die Rechten zu schwächen.“ Er erwartet, dass von den 100 bis 150 rechten Strafgefangenen in Niedersachsen etwa jeder fünfte an dem Ausstiegsprogramm teilnimmt. In das Programm könnten auch Rechtsradikale einbezogen werden, die unter der Aufsicht der Bewährungshilfe stehen.
Zudem sollen bei den elf Staatsanwaltschaften in Niedersachsen so genannte Opferfonds in Form privater Stiftungen eingerichtet werden. Zur Finanzierung will Pfeiffer rund zehn Prozent der Einnahmen aus Bußgeldern verwenden.
Das von Schily angekündigte Ausstiegsprogramm sei ein viel versprechender Weg. „Das muss jetzt von den Ländern mit Leben gefüllt werden“, sagte der frühere Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts in Hannover. Schily selbst habe dafür „keine Truppen“.
Der Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Eckhart Pick (SPD), hat derweil angekündigt, in diesem Jahr seien im allgemeinen Haushalt 10 Millionen Mark Soforthilfe für Opfer rechter Gewalt vorgesehen. Eine entsprechende Stelle werde voraussichtlich beim Generalbundesanwalt angesiedelt. Die Mittelvergabe solle eine „noch zu erlassende Richtlinie“ regeln. NM
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen