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Schwarzer Peter für Verbraucher

Die BSE-Krise ist für den Senat noch kein Grund für eine Ökowende  ■ Von Gernot Knödler

Von einer ökologischen Wende in der Landwirtschaftspolitik in Hamburg ist vorerst nichts zu sehen. Zwar analysieren die Behörden eifrig Würste und Futtermittel, doch strukturell wollen sie dem Problem nicht zu Leibe rücken. Die zuständige Wirtschaftsbehörde sieht derzeit keinen Grund für eine grundsätzliche Änderung ihrer Agrarpolitik. Die Senatskanzlei hält den bestehenden Ressort-Zuschnitt für bewährt. Und die Umweltbehörde will gar nichts sagen.

„Hamburg ist Spitze“, sagt Bernd Meyer, der Sprecher der Wirtschaftsbehörde. Der Anteil der ökologisch bewirtschafteten Felder liege mit sechs Prozent weit über dem Bundesdurchschnitt von zwei Prozent. Die Fördersumme für den ökologischen Landbau sei 1998 pro Hektar dreimal so hoch gewesen wie im Bundesdurchschnitt – rund 180 statt 60 Mark. Außerdem, so Meyer, sei der ökologische Landbau in der Stadt von 1985 bis 1998 stetig gewachsen.

Trotzdem werden nur 20 von 1500 landwirtschaftlichen Betrieben in der Stadt nach den Regeln des ökologischen Landbaus geführt. Dem Umweltverband BUND ist das viel zu wenig. Unter dem rot-grünen Senat, so Landesgeschäftsführer Manfred Braasch, stagniere die ökologische Agrarwirtschaft. Als Beispiel nennt er die Fördermöglichkeiten des Landwirtschaftsprogramms „Agenda 2000“ der EU: Hamburg habe das meiste Geld für den Küstenschutz beantragt statt für Öko-Landbau.

Die Wirtschaftsbehörde, behauptet Braasch, habe gar kein Interesse daran, umstellungswillige Betriebe durch Fördermittel auf sichere Füße zu stellen. „Die Landwirtschaftspolitik in Hamburg kann man zu großen Teilen als Flächenbevorratungspolitik bezeichnen“, sagt er. Denn ein gut funktionierender Hof sei schwer für ein Gewerbegebiet oder eine Wohnsiedlung platt zu machen. Der BUND fordert schon seit langem, die Landwirtschaft der Umweltbehörde zuzuschlagen.

Bernd Meyer weist den Vorwurf zurück, die Wirtschaftsbehörde habe die Fördertöpfe für Öko-Betriebe nicht ausgeschöpft. Die Landwirte hätten das Geld nicht abgerufen. Darauf habe man reagiert. Seine Behörde beantrage jetzt verstärkt Geld für die Vermarktung ökologischer Produkte.

Denn aus Sicht von Wirtschaftssenator Thomas Mirow (SPD) ist eine „Änderung des Verbraucherverhaltens“ nötig. Die Konsumenten müssten künftig bereit sein, für mehr Qualität, Nahrungsmittelsicherheit und Transparenz bei der Erzeugung höhere Preise zu zahlen. Damit liegt der Senator auf der Linie von Landwirtschaftskammer und Bauernverband. Die Ökologisierung der Landwirtschaft müsse „von ganz alleine kommen“, findet Wilhelm Grimm, der Präsident des Bauernverbands. Sie müsse „auf freiwilliger Basis vom Verbraucher her geschehen“.

Um 30 Prozent würde Fleisch teurer, wenn die Tiere im wesentlichen mit Futter vom eigenen Hof gemästet werden, schätzt Hans-Peter Pohl, Geschäftsführer der Landwirtschaftskammer – eine Umstellung, zu der auch der Bauernverband bereit wäre. Auf ökologisch wirtschaftenden Höfen ist sie schon lange Usus.

Grimm warnt davor, eine gute ökologische und eine schlechte konventionelle Landwirtschaft zu unterscheiden. Die ökologische Wende, wie sie auf Bundesebene angekündigt wurde, hält er für überstürzt. „Wir müssen alle Kraft daran setzen, das BSE-Problem zu lösen“, sagt er. Über die Zuständigkeit von Ministerien könne später diskutiert werden. Ganz in diesem Sinne hat die Wirtschaftsbehörde jetzt vier Mischfutterhersteller überprüft: Bei zehn von 15 Proben seien tierische Anteile von meist weit unter 0,5 Prozent festgestellt worden. Die verunreinigten Partien wurden sichergestellt.

Im Streit um fälschlicherweise als rindfleischfrei etikettierte Wurst hat sich Bürgermeister Ortwin Runde gestern hinter Gesundheitssenatorin Karin Roth (beide SPD) gestellt. Er teile Roths Position, die Namen der Hersteller nicht zu nennen, solange nicht feststehe, wer für die falsche Etikettierung verantwortlich sei.

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