: „Kein kalter Krieg in der PDS“
Interview JENS KÖNIG
taz: Ist die PDS in einer Führungskrise?
Gabi Zimmer: Nein, überhaupt nicht.
Das ganze Land diskutiert über BSE und die bevorstehende Revolution in der Landwirtschaft. Nur von der PDS hört man dazu nichts. Stattdessen sprechen alle von einem Machtkampf in Ihrer Partei. Und jetzt hat auch noch Lothar Bisky den Vorsitz der Programmkommission hingeschmissen.
Es gibt keinen Machtkampf in der Partei. Als ich zur neuen PDS-Vorsitzenden gewählt wurde, war klar, dass nicht alles so bleiben würde, wie es unter Lothar Bisky war. In den letzten zehn Jahren hat die Partei vor allem ums Überleben gekämpft. Jetzt werden wir stärker an unserer praktischen Politik gemessen. Darauf muss sich auch unsere Parteizentrale einstellen.
Gilt das auch für Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch, mit dem Sie darüber im Streit liegen sollen?
Dietmar Bartsch und ich sind uns in dieser Frage grundsätzlich einig. Wir haben einen kleineren Apparat als andere Parteien. Das verlangt effektivere und modernere Arbeitsformen als bisher. Und wir haben einen neuen Bundesvorstand, der mehr als bisher als politisches Zentrum der Partei agieren möchte. Die entsprechenden Strukturen werden wir bis Ende Januar schaffen.
Bartsch behauptet, es gebe einen kalten Krieg um die Parteizentrale.
Dafür habe ich ihn kritisiert. Es gibt keinen kalten Krieg in der PDS. Trotzdem: Bartsch hat mich auf seiner Seite. Sie werden vergeblich versuchen, unserem Bundesgeschäftsführer und mir einen Konflikt anzuhängen.
Sie haben Bartsch nicht mit Kündigung gedroht?
Nein, das ist überhaupt nicht mein Stil. Ich bin manchmal schon erstaunt darüber, wie Informationen, die jeder Grundlage entbehren, in die Öffentlichkeit gelangen.
Aber dass Lothar Bisky unter Protest den Vorsitz der Programmkommission niedergelegt hat, werden Sie nicht leugnen können.
Das will ich auch gar nicht. Ich bedaure den Rückzug von Bisky. Das habe ich ihm auch gesagt.
Bisky hat mit Blick auf ein neues Parteiprogramm von einer Verhindererfraktion in der PDS gesprochen. Teilen Sie seine Einschätzung?
Nein. Es gibt keine Fraktion der Verhinderer. Natürlich gibt es Leute in unsere Partei, die es am liebsten sähen, wenn wir gar kein neues Programm vorlegen. Und es gibt auch welche, die bremsen. Aber ich halte nichts davon, uns immer wieder gegenseitig mit Misstrauen zu begegnen, so nach dem Motto: Die einen wollen alles nur verhindern, und die anderen wollen nur ein Programm, das mit Sozialismus nichts mehr zu tun hat. Das blockiert uns in unserer Arbeit. Die klare Mehrheit der Partei, auch des Vorstands, will schnellstmöglich den Entwurf eines neues Programms.
Der Parteivorstand hat aber beschlossen, dass jetzt erst einmal Leitlinien erarbeitet werden sollen. Es wird definitiv kein neues Programm vor der Bundestagswahl 2002 geben.
Dass es vor den nächsten Bundestagswahlen kein neues Programm geben wird, ist schon im April letzten Jahres auf dem Parteitag in Münster beschlossen worden. Und dass wir jetzt erst einmal Leitlinien erarbeiten wollen, ist keine politische, sondern eine zeitliche Frage. Wir schaffen es einfach nicht, bis Ende April einen geschlossenen Programmentwurf zu schreiben.
Die Entscheidung in der PDS-Führung für diesen Weg fiel mit 10 gegen 7 Stimmen. Sie gehörten zur Mehrheit. Wenn Bisky von Verhinderern spricht, muss er damit doch auch die Vorsitzende meinen. Verstehen Sie das als Kampfansage?
Nein. Ich halte das für eine unglückliche Formulierung von Bisky. Er hat mir in einem Gespräch versichert, dass er mit den „Verhinderern“ nicht die Mehrheit im Parteivorstand meint.
Sondern?
Lothar Bisky ärgert sich seit Jahren immer wieder über die gleichen Leute, von denen er das Gefühl hat, dass sie seine Arbeit als Parteivorsitzender und Chef der Programmkommission behindert haben. Das sind diejenigen, die ihm vorwarfen, er wollte mit einem neuen Programm der PDS ihr Bad Godesberg bescheren.
Ein Programmentwurf soll jetzt schnellstmöglich vorgelegt werden, sagt der Vorstand. Was heißt schnellstmöglich?
Ich gehe davon aus, dass ein Programmentwurf bis Ende des ersten Halbjahres geschrieben ist.
Unter wessen Federführung?
Unter meiner. Ich habe jetzt den Vorsitz der Programmkommission übernommen. Auf einer Sitzung der Kommission am vergangenen Freitag habe ich vorgeschlagen, dass ein erster Entwurf der programmatischen Leitlinien bereits im Februar vorliegen soll. Dann werden wir endlich über Inhalte streiten können und nicht länger über Fristen.
Was erhoffen Sie sich von einem neuen Programm?
Nicht so sehr die siebenundneunzigste Beschäftigung mit der Frage, wie wir die DDR bewerten, sondern eine Antwort auf die gesellschaftlichen Umbrüche; von der Globalisierung und den neuen Informationstechnologien bis hin zur Gentechnik. Die Leute haben ein Recht darauf, zu erfahren, wie heute eine demokratische, sozialistische Gesellschaft aussehen soll. Visionen ja – aber keine, die erst fürs nächste Jahrhundert taugen.
Von der PDS ist seit Ihrer Wahl zur Parteichefin wenig zu sehen und zu hören. Wo ist die Vorsitzende?, wird immer wieder gefragt. Also: Wo sind Sie?
Der Vorwurf, von der PDS und von mir sei nichts gekommen, stimmt so nicht. Wir haben in den letzten drei Monaten ein eigenes Rentenkonzept vorgelegt, unser Verhältnis zu den Gewerkschaften verbessert, in der Europadebatte einen klaren Standpunkt zur Grundrechtecharta vertreten, die Ächtung von Uranwaffen verlangt, und ich habe, im übrigen in Ihrer Zeitung, eine Debatte über unser Verhältnis zur Nation angestoßen. Aber ich ärgere mich auch, dass in der Öffentlichkeit davon nicht viel zu spüren ist. Ich habe den Eindruck, die Medien wissen noch nicht so recht, wie sie mit der neuen PDS-Führung umgehen sollen. Sie scheinen erst einmal abzuwarten, ob sich die neue Vorsitzende durchsetzen wird.
Werden Sie sich durchsetzen?
Ja.
Sie sind also davon überzeugt, Ihren Laden im Griff zu haben?
Da machen Sie sich mal keine Sorgen.
Frau Zimmer, Sie sind jetzt fast 100 Tage Parteivorsitzende. Was hat Sie in Ihrem Amt bisher am meisten überrascht?
Dass die Medien immer wieder fragen, ob ich die PDS im Griff habe.
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