: Ohne Worte, ohne Zeichen
Eine traurige Jelena Dokic verabschiedet sich bei den Australian Open mit der erwarteten Niederlage gegen Lindsay Davenport von ihrer bisherigen Wahlheimat, Pete Sampras dagegen hält durch
aus Melbourne DORIS HENKEL
Als sie den Platz verließ, klatschten die Leute; nicht alle, aber doch die meisten. Jelena Dokic warf keinen Blick zurück und zeigte keine Reaktion, dabei hätte sie sich bei denen, die auf ihrer Seite waren, ganz gern bedankt. Ratlos stand sie vor dieser Situation, an einem neuen Missverständnis war sie nicht interessiert. So verschwand sie ohne Wort und ohne Zeichen, und bald verlässt sie auch das Land.
Wie die meisten der Schwierigkeiten entstanden sind, die das Leben dieses geplagten Mädchens umklammern wie eine eiserne Hand, das zeigte sich noch einmal an diesem Tag. Kurz bevor seine Tochter abends auf dem Centre Court zum Spiel gegen Lindsay Davenport ging, erklärte Damir Dokic im australischen Fernsehen, selbst im Falle eines Sieges werde Jelena vermutlich nicht weiterspielen in diesem Turnier. Als sie später von dieser Aussage erfuhr, sagte sie, davon habe sie nichts gewusst, und es hörte sich nicht so an, als suche sie nach einer Entschuldigung. Manchmal muss man die Ruhe bewundern, mit der sie dem Trubel, den Fragen, den Unterstellungen, den Behauptungen begegnet, und dass sie unter diesen Umständen beinahe sogar gegen Davenport gewonnen hätte, das sagt alles über ihre Kraft.
Doch nun soll es genug sein mit den Kränkungen, mit den Vorwürfen gegen ihren Vater, die sie nicht versteht. Im Doppel und Mixed wird sie in Melbourne noch spielen, danach will sie umziehen nach Tampa in Florida, wo die Familie ebenso ein Haus besitzt wie in der alten Heimat Belgrad. Lindsay Davenport hat nach ihrem hart erkämpften 4:6, 6:4, 6:3-Sieg gegen die 17-jährige Jugoslawin, die bis vor wenigen Tagen noch für Australien startete, gesagt, Jelena sei ein tolles Mädchen und sie könne ihr nur alles Gute wünschen.
So weit zum emotionalen Teil dieses Tages, der mit einem Vier-Minuten-Spiel in der neuen Vodafone Arena begonnen hatte und der mit einer erwarteten Zitterpartie in der Rod Laver Arena endete. Zum Anfang: Monica Seles siegte unangenehm schnell, weil die amerikanische Gegnerin Brie Ripper beim Stande von 1:0 umknickte und aufgeben musste; so gewinnt man nicht gern. Zum Ende: Pete Sampras brauchte jede Menge Nerven und Gefühl bei Satz und Sieg gegen den berüchtigten Spielverderber Karol Kucera (7:6, 3:6, 6:4, 7:6). Schon einmal an dieser Stelle hatte er gegen den Slowaken verloren, im Viertelfinale anno 1998, und viel hätte nicht zur Wiederholung dieses Spektakels gefehlt.
Doch nach einem wenig berauschenden Jahr fehlte es Kucera diesmal noch an Konstanz und Konsequenz. Dass er Sampras zwischendurch immer mal wieder aussehen ließ wie einen Lehrling, tat letztlich nichts zur Sache. Entscheidend war, dass er nur drei von 17 Möglichkeiten nutzte zum Break, und wer so etwas tut, der kann gegen den großen Meister nicht gewinnen.
Bei den French Open des vergangenen Jahres hatte Andre Agassi in der ersten Runde gegen Kucera verloren. Eine solche Probe für Form und Gemüt blieb dem Titelverteidiger und dessen blonder deutscher Freundin diesmal erspart. In drei schnellen Sätzen gewann Agassi gegen den Tschechen Jiri Vanek (6:0, 7:5, 6:3), hinterher lobte er ein wenig sich selbst und als höflicher Mensch in höchsten Tönen Land und Leute in Australien.
Doch bei einem anderen Thema wurde er noch einmal ganz ernst. Auf die Frage, ob er Anfang Februar in der ersten Runde des Davis Cups mit der Mannschaft der USA in Basel gegen die Schweizer spielen werde, antwortete er kurz und knapp: „Nein.“ Und die Weigerung geht über diese eine Partie hinaus. Agassi ist ebenso wie der Kollege Sampras gegen das althergebrachte Format des Davis Cups, und er sagt, er habe die Hoffnung aufgegeben, dass seine Bereitschaft zur Teilnahme daran jemals noch irgendwas ändern werde. Nachdem schon John McEnroe frustriert das Amt des Teamkapitäns niedergelegt hatte, nimmt sich jetzt Andre Agassi die Freiheit zu sagen: Danke, Leute, ab jetzt ohne mich. Auch da fällt eine Tür ins Schloss.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen