Stoiber will ohne Skandalnudeln nicht regieren

Sozialministerin Barbara Stamm und Landwirtschaftsminister Josef Miller werden fürs Versagen belohnt: Sie bleiben im Amt – und müssen weniger tun fürs Geld

MÜNCHEN taz ■ So geht das in Bayern: Die beiden Fachminister Barbara Stamm (Soziales und Gesundheit) und Josef Miller (Landwirtschaft) glänzen durch eine endlose Pannenserie – und was passiert? Die überforderten Ressortchefs bekommen ihre Ressorts bequem auf ihre Fähigkeiten zugeschnitten. Als Konsequenz aus dem BSE-Skandal hat Edmund Stoiber kurzerhand ein neues Ministerium für Verbraucherschutz und Gesundheit eingerichtet.

Dafür geben Stamm und Miller ein paar Kompetenzen an den neuen Minister Wolfgang Herrmann ab, der Landwirtschaftsminister muss auf seine Staatssekretärin Marianne Deml verzichten – damit hat sich's! Und der Chef der CSU-Landesgruppe, Michael Glos, verkündet: „Nur weil in Berlin eine Art Ministerwahnsinn ausgebrochen ist, muss doch nicht eine bayerische Ministerin zurücktreten.“

Doch genau dieser Rücktritt, vor allem von Barbara Stamm, ist in den Augen vieler Bauern sowie der Opposition mehr als überfällig. Bei der CSU-Klausurtagung in Wildbad Kreuth gestand die Gesundheitsministerin ihren verdutzten Kollegen, im August einen Brief auf Druck des Bauernverbandes an Ex-Landwirtschaftsminister Funke geschrieben zu haben, in dem sie gegen die Herausnahme von BSE-Risikomaterial aus Futtermitteln protestierte.

Doch nicht nur schamlose Lobbypolitik wird der vermeintlichen Fachfrau, die auch stellvertretende Ministerpräsidentin ist, vorgeworfen. Die 56-jährige gelernte Erzieherin aus Unterfranken hat sich immer wieder in Widersprüche verstrickt. So zum Beispiel am 19. 9.1997. Da sitzt die resolute Bad Mergentheimerin im Interviewsaal ihres Ministeriums, wo sie über den BSE-Fall der Kuh „Meise“ berichtet, bei der sich später bei Nachprüfungen in der Schweiz herausstellt, dass die Ohrenmarken vertauscht wurden. Frau Stamm trommelt auf den Tisch, als sie Vorwürfe des Schweizer BSE-Experten Professor Marc Vandevelde (taz vom 24. 6. 97) zurückweist, in Deutschland und Bayern würden nur deshalb keine BSE-Fälle gefunden, weil viel zu wenig getestet werde. „Ich kann das nicht nachvollziehen. Ausgangspunkt ist verseuchtes Tiermehl. In Deutschland gibt es seit Jahren das Verbot, dass an Wiederkäuer kein Tiermehl verfüttert werden darf“, erklärt die Ministerin, um – völlig aufgebracht – auch noch anzufügen, dass das in Bayern strengstens kontrolliert werde.

Im Dezember 2000 muss sich die Ministerin dann in einem 42-seitigen Bericht der EU-Veterinärkommission vorhalten lassen, dass gerade im Freistaat Bayern besonders gravierende und viele Mängel festgestellt wurden. So sind die Futtermittelfirmen höchst unzureichend kontrolliert worden, es wurden falsche und alte Testmethoden angewandt. Und was noch schlimmer ist: Noch 1998, also ein Jahr nach Stamms Versprechen strengster Kontrollen, wurden von 158 neurologisch auffälligen Rindern gerade einmal 24 wirklich untersucht, im Jahr darauf waren es von 110 Gehirnen nur 21.

Dem Bayerischen Landtag gaukelte Stamm noch am 9. November 2000 vor, Bayern sei nach wie vor BSE-frei. Sie tat das auch am 29. November noch und betonte, in Bayern habe es noch keinen BSE-Verdacht gegeben. Dabei wurde bereits am 2. November in Rottenbuch die erste Kuh in Bayern mit BSE-Verdacht notgeschlachtet.

Bliebe noch Stamms Kollege Miller, der beim Auftreten des ersten bayerischen BSE-Verdachtsfalls einen Tag lang gar nichts sagen wollte, „weil das Sache des Sozialministeriums ist“. Gestern wurde bekannt, dass dieser Josef Miller dem verantwortlichen Redakteur der ministeriellen Informationsschrift „Schule und Beratung“ wegen eines kritischen Kommentars zu BSE die Schriftleitung entzogen hat. Zudem wurde der Redakteur angewiesen, den rund 1.800 Beziehern der Zeitschrift mitzuteilen, dass der abgedruckte Kommentar nicht der Auffassung des Ministeriums entspreche.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Franz Maget hielt gestern Edmund Stoiber vor: „Wir brauchen kein neues Ministerium, sondern Minister, die ihrer Aufgabe gewachsen sind.“ Jetzt haben sie weniger Kompetenzen im Amt – aber beileibe nicht mehr Kompetenz fürs Amt.

KLAUS WITTMANN