piwik no script img

Clintons letzte Affäre

Wird der inhaftierte Indianeraktivist Leonard Peltier vom scheidenden US-Präsidenten begnadigt?

von STEFAN SCHAAF

Mit dem Ende der Amtszeit Bill Clintons am 20. Januar wird eine Entscheidung gefallen sein, so viel hat das Weiße Haus durchblicken lassen: Wird auch der seit 25 Jahren inhaftierte indianische Aktivist Leonard Peltier zu den Glücklichen gehören, die in den Genuss einer Begnadigung durch den scheidenden Präsidenten kommen? Seit sieben Jahren schmorte der Antrag des wegen Mordes an zwei FBI-Detektiven Verurteilten in Janet Renos Justizministerium; im Herbst erst gelangte er endlich auf Clintons Schreibtisch.

FBI-Chef Louis Freeh ließ keinen Zweifel an der Bedeutung, die der Fall Peltier für seine Behörde hat: „Mr. President, es gibt kein Thema, das innerhalb des FBI mehr Aufmerksamkeit genießt“, schrieb er. Peltier sei ein kaltblütiger Polizistenmörder, der keine Gnade verdiene. Mehrere hundert FBI-Angestellte demonstrierten zehn Tage vor Weihnachten vor dem Weißen Haus gegen eine Begnadigung. Unvorstellbar für sie, wenn niemand für eines der schwersten Verbrechen gegen FBI-Beamte in der Geschichte der Bundespolizei büßen würde – auch wenn es der Falsche ist.

Davon gehen Peltiers Unterstützer jedenfalls aus. Zu ihnen gehört Prominenz von Robert Redford bis Desmond Tutu und amnesty international. Sie verweisen darauf, dass die Verurteilung Peltiers ausgesprochen fragwürdig ist – es gibt keine Augenzeugen der Tat und keine Indizien gegen Peltier, die nicht widerlegt worden sind.

Der Staatsanwalt, der Peltiers Verurteilung erreichte, hat schon 1985 zugegeben, dass niemand wisse, wer auf die FBI-Agenten geschossen habe. Aber Peltier sei dabei gewesen, als die beiden Polizisten im Juni 1975 auf dem Pine-Ridge-Indianerreservat verletzt wurden und man sie dann aus nächster Nähe erschossen habe.

Damals herrschten bürgerkriegsartige Zustände auf Pine Ridge, das FBI und die traditionelle Stammesführung bekämpften die rebellischen Anhänger des „American Indian Movement“ (AIM), die knapp zwei Jahre zuvor das Dorf Wounded Knee besetzt hatten. Dutzende AIM-Leute kamen unter fragwürdigen Umständen zu Tode.

Im Falle der getöteten FBI-Beamten präsentierte das FBI rasch vier Verdächtige. Zwei wurden später freigesprochen, einer kam ohne Prozess davon, Peltier blieb übrig und wurde verurteilt. Er hat stets bestritten, die FBI-Agenten Jack Coler und Ron Williams erschossen zu haben. Sein Fall ist zu einer der bekanntesten politischen Justizaffären in den USA geworden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen