: BND unterhielt Tarnfirmen
Der Bundesnachrichtendienst soll sich billig Technik zur Spracherkennung verschafft haben, um Informationen schneller auszuwerten. Grüne verlangen Aufklärung
BERLIN taz ■ Der Bundesnachrichtendienst (BND) soll Firmen, die Technik zur Spracherkennung herstellen, über Tarnfirmen finanziell unterstützt und ihnen Aufträge von Regierungsstellen zugesichert haben. Das geht aus einem vertraulichen Papier hervor, das der taz vorliegt.
Die Vorwürfe haben den grünen Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele auf den Plan gerufen. Ströbele, Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG), hat beantragt, das Thema auf der heutigen Sitzung zu behandeln. „Ich will wissen, inwieweit und ob der BND überhaupt an Firmen beteiligt ist und Einnahmen daraus gezogen hat“, sagte Ströbele gestern der taz. Wenn es einen Nebenhaushalt zum offiziellen Budget gebe, müsse das geklärt werden.
Einer der Gründer der Start-up-Firmen soll ein Direktor der technischen Aufklärung des BND mit dem Decknamen „Christoph Klonowski“ gewesen sein, der im Dezember vom Landgericht München wegen Urkundenfälschung und Betruges verurteilt wurde. Seine Firma habe aufgrund „ihres strategischen Auftrags und aufgrund ihrer besonderen Struktur“ anders am Markt agieren können als normale Unternehmen, so der Vorwurf einer Firmeninhaberin, die selbst Spracherkennungstechnik vertrieben hat. Im Klartext: Der BND soll sich an den Firmen beteiligt haben, um an Technik zu kommen, die er selbst wegen seiner Kassenlage nicht entwickeln konnte. „Klonowski“ soll an der Gründung von mindestens drei Start-ups rund um den belgischen Sprachtechnologiekonzern Lernout & Hauspie (L & H) beteiligt gewesen sein. L & H-Sprachtechnik wurde nach Informationen der FAZ im Bosnien- und Kosovokrieg eingesetzt. Die Start-up-Firmen beschäftigen sich mit Sprachen wie Farsi, Malayisch, Tamilisch oder Bahassa. Diese sind in einem geografischen Gürtel verbreitet, der über Kleinasien, die arabische Halbinsel, Iran, Irak, Afghanistan bis nach Südostasien reicht – eine Region, die einen Schwerpunkt der Auslandsaufklärung des BND darstellt.
Aus strategischer Sicht benötigt ein Nachrichtendienst Sprachtechnologie weniger zur Übersetzung denn zur Überwachung und Auswertung vor allem von Telefongesprächen. Der BND, so heißt es in dem vertraulichen Bericht, habe wie alle Dienste ein Problem mit der maschinellen Auswertung von Sprach- und Textinformationen. Die Informationen seien „unstrukturiert“, das heißt, Bedeutung und Zusammenhänge seien für Computer nicht automatisch zu erkennen. Der BND wollte mit der Technik abgehörte Kommunikation schneller auswerten. Das Parlamentarische Kontrollgremium, das heute in geheimer Sitzung zusammenkommt, soll die Aktivitäten von BND, Verfassungsschutz und Militärischem Abschirmdienst überwachen. NM
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