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Und es hat „drone“ gemacht

Heute Abend moduliert die amerikanische Performancekünstlerin Ellen Fullman den Schall. Ein so genanntes Long-String-Instrument spielt dabei eine gewichtige Rolle

Ellen Fullman taucht ihre Hände in ein mit gemahlenem Kolophonium gefülltes Glas. Üblicherweise überzieht man mit dem unangenehm klebrigen Puder einen Streicherbogen. Ellen Fullman reibt es minutenlang in die Haut ein, bis es die Handinnenfläche bis zu den Fingerkuppen bedeckt. Sie habe es auch mit anderen Materialien versucht, erklärt sie, aber nur das Kolophonium bringe den gewünschten Widerstand zuwege.

Gewissermaßen frisch gepudert, klettert Ellen Fullman durch ein Knäuel aus wohl annähernd hundert Saiten, die sie quer durch ihr Charlottenburger Atelier gespannt hat. Dann lässt sie ihre Finger zunächst bloß suchend über die schlaff gespannten Drähte fahren. Sie greift eine bestimmte Saitenkonstellation heraus und erhöht den Druck. Der Raum erfüllt sich schlagartig mit einem dichten und unerwartet lauten drone, vor dem wohl noch der feedbackseligste Gitarrist in die Knie geht. Gelegentlich zieht Fullman einzelne Saiten mit den Fingerspitzen nach oben, um das Klangspektrum zu verschieben und einzelne Töne wie in einem lang gezogenen Gesang herauszustellen.

Seit 1980 baut und tüftelt Ellen Fullman an ihrem, wie sie es nennt, Long-String-Instrument. Die heute 42-jährige Künstlerin hatte damals gerade die Akademie als gelernte Bildhauerin verlassen und suchte nach einer Möglichkeit, ihre Vorstellungen von einem gestalteten Raum auf andere Medien zu übertragen.

Die ersten Experimente mit allen möglichen Klangerzeugern erscheinen ihr heute als roh und ungeschliffen. Dabei weckte vor allem die nachgiebige, dehnbare Stahlsaite das Interesse der Künstlerin. „Ich habe auf der Akademie viele Jahre mit Tonerde gearbeitet“, erzählt Fullman. „Tonerde spricht auf Gesten an, bevor ein zeitloser Moment eingefangen wird. Und mit meinem Instrument wollte ich etwas Ähnliches tun, indem ich den Klang mit körperlichen Gesten wie eine Skulptur gestalte.“

Fullmans Stücke unterliegen stets den spieltechnischen Restriktionen der langen, trägen Saiten. „Man kann nicht einfach eine Melodie darauf spielen. Die Saiten lassen sich bei dieser Länge einfach nicht straffer spannen. Sie geben kaum Widerstand, und man kann darauf keine schnellen Bewegungen ausführen. Aufgrund dieser Zeitverzögerung geschieht alles mit einer gewissen Langsamkeit. Ich habe deshalb ein ganz eigenes Timbrevokabular entwickelt, mit dem ich eine Formidee zwischen Statik und Bewegung verfolge – ein musikalischer Mäander.“

Im Laufe der Jahre, während Fullman ihr Instrument nach und nach perfektionierte, entfaltete die Performancekünstlerin auch einen eigenen ästhetischen Überbau.

Das Erscheinungsbild des Instruments – Beleuchtung etwa und Hintergrund – gewannen an Bedeutung. Die Klangmeditationen der amerikanischen Akkordeonspielerin Pauline Oliveros hat Ellen Fullman als ästhetisches Leitbild angenommen. Und als Fullman eine Parallele zum liegenden Bordun der indischen Musik entdeckte, vertiefte sie sich über Jahre in die musikalische Praxis des Subkontinents. Hinzu kommt eine originelle und durchdachte Theorie, in der die harmonische Modulation bestimmten räumlichen Bewegungsabläufen entspricht.

Seit vergangenem September arbeitet Fullman als DAAD-Stipendiatin für ein Jahr in Berlin. Heute Abend stellt sie sich erstmals der hiesigen Öffentlichkeit vor mit der Performance „Topographical Sequences“, die sie gemeinsam mit dem Berliner Musiker Walter Durand (er spielt „präparierte PVC-Klarinetten“) gestaltet. Im Juni soll eine größere Arbeit in der Parochialkirche folgen. BJÖRN GOTTSTEIN

Galerie K19, Klausener Platz 19, 2. HH., 1. Stock, 20 Uhr, Charlottenburg

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