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Twist in der Menopause

„Nicht mit uns“ (20.15 Uhr, ZDF) und die Flut von Spielfilmen über Frauen im zweiten Frühling

von CHRISTIAN BUSS

Zu viel Emanzipation macht krank. Der Gesundheitszustand der Marketingexpertin Marylu (Gila von Weitershausen), die in dem Modehaus „Andrea Moretti“ ein paar Millionen verwaltet und zum Frühstück Schampus trinkt, verschlechtert sich jedenfalls durch die aggressive Hormonausschüttung ihres jungen Liebhabers zusehends. Der Bengel kann immer, und die beglückte Fünfzigjährige mag einfach nicht nein sagen. Ans Schlafen ist da auf keinen Fall zu denken. So wächst sich die harmlose Erkältung zur schweren Grippe aus, und mit den schwindenden Körperkräften entgleitet Marylu auch der Einfluss aufs Unternehmen: Bald wird ihr eine junge Zicke vor die Nase gesetzt. Der hinterlistige Lustknabe indes wendet sich der noch mal ein paar Jahre älteren Firmenchefin (Elke Sommer) zu. Aber das ist alles nur halb so wild, schließlich macht die gebeutelte Marylu am Ende mit einer alten Klassenkameradin einen eigenen Betrieb auf. Da wird dann doch noch alles gut.

„Nicht mit uns“, wie der Film um die zu neuem Leben erwachten Modeexpertin slogantauglich betitelt ist, stellt keinen Einzelfall im deutschen Fernsehen dar. Eher den Prototyp eines zur Zeit enorm erfolgreichen Genres – die Menopausen-Komödie. Nachdem Frauen in den mittleren Jahren früher ausschließlich als Muttertier und in anderen wenig Ruhm versprechenden Seelsorgerrollen vorkamen, stellen sie heute das vielleicht wichtigste Personal im hiesigen TV-Kosmos dar.

Kaum eine Woche vergeht inzwischen, ohne dass nicht eine Mariele Millowitsch oder eine Iris Berben die Wechseljahre als Chance zur Selbstverwirklichung nutzt. Der junge Liebhaber ist dabei obligatorisch, und wenn er auf die eine oder andere Art für seine Zuwendung bezahlt wird, ist das keine Schande. Mit dem unvermeidlichen Klimakterium kommt nicht etwa der Blues, vielmehr legen all die revitalisierten Frauen einen Twist hin, bei dem sie unter seltsamenen Verrenkungen und komödiantischen Vertstrickungen ihr wahres Ich entdecken. Oder einfach nur ein anderes.

Zweiter Frühling statt Midlife-Crisis

Statt der Midlife-Crisis stellt sich bei den Protagonistinnen also der zweite Frühling ein. Manchmal ist es sogar der erste überhaupt. Dann müssen sich die Frauen eingestehen, dass ihr Leben zuvor eine einzige Lüge gewesen ist. So wie die beiden Freundinnen in dem ZDF-Zweiteiler „Ich schenk’ dir meinen Mann“, der bereits Anfang Januar lief: Hannelore Elsner gibt hier die Selfmade-Lady, die in ihrer alten Heimat gegen den Widerstand sämtlicher böser Schwiegermütter der Stadt ein Hotel aufmacht. Doch nicht nur an der eigenen Selbstverwirklichung arbeitet sie; auch die eingeschlafene Sexualität einer alten Jugendfreundin weiß die patente Mittfünfzigerin mit (konventionellen) Mitteln zu wecken, indem sie die Industriellenwitwe mit einem juvenilen, gewiss auch sexuell agilen Tischler verkuppelt. Die arrivierten Herren der Örtchen sehen dagegen wirklich alt aus: Es sind reiche Zahnärzte, die nach feucht-fröhlichen Verbandssitzungen sabbernd über Stripperinnen herfallen, und andere notorische Fremdgeher.

Um die Geschlechts- und Altersgenossen in anderen Produktionen ist es nicht besser bestellt: Für diese Männer, die noch immer denken, sie befänden sich in ihren besten Jahren, hat die Rache der Mauerblümchen und Hausmuttis schreckliche Folgen. Die älteren Herren existieren eigentlich nur noch als humoristische Zuspitzung eines Missstands, der die Frauen auf die Barrikaden treibt – oder zumindest aus der Abhängigkeit von diesen Jammerlappen. Der Widerstand der wilden Weiber bietet für die gemeine Zuschauerin allerdings selten Möglichkeiten der Nachahmung: Denn monetäre Aspekte werden hier meist nach den Gesetzen der Komödie verhandelt. Da dürfen schon mal Geldkoffer vom Himmel fallen, um die im exquisitesten Ambiente betriebene Selbstverwirklichung zur gediegenen Vollendung zu bringen.

So bieten die Menopausen-Lustspiele schwerlich eine Gebrauchsanweisung zum Glücklichsein. Vielmehr halten sie eine Gruppe von Zuschauerinnen bei der Stange, die früher allenfalls in Spots für Antifaltencreme Identifikationspotenzial finden konnte.

Heldinnen der reifen Weiblichkeit

Erstaunlich, wie spät die Senderstrategen trotz Zielgruppenhörigkeit dieses Bedürfnis erkannt haben. Dafür sind die Heldinnen dieser neuen reifen Weiblichkeit jetzt umso stärker im Programm verankert. So wird eigentlich nur durch Schauspielerinnen jenseits der 40 Quote gemacht – und auf wundersame Weise die weit verbreitete Ansicht widerlegt, derzufolge der Entertainmentbetrieb nur für „junge Haut“ eine Chance bereithält. Tatsächlich beherrschen die älteren Aktricen das Feld: Während man einer jungen Schauspielerin selten ohne zugkräftigen Co-Darsteller eine Hauptrolle überlässt, dürfen Mariele Millowitsch, Iris Berben oder sogar Evelyn Hamann gleich mehrmals pro Quartal ohne nennenswertes männliches Gegenstück freundlich aufmüpfen.

Einen ironischen Kommentar zu dieser wenig bewegenden Emanzipationsbewegung liefert das Fernsehen gleich mit: In der ARD-Produktion „Probieren Sie’s mit einem Jüngeren“ war Senta Berger Ende Dezember als resolute Erfolgsautorin zu sehen, die sich aus Publicity-Gründen einen grünen Jungen als Liebhaber hält. In der milden Medienkomödie tritt Quotengarantin Berger auf wie eine Mischung aus Hera Lind und „Denver“-Biest Joan Collins.

Was ihr nichts nützt: Am Ende muss sie doch dem Lächeln eines grau melierten älteren Herren erliegen.

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