Bewegung? Ja, bitte!

Wer Geld hat, kann es verprassen – oder damit anderen etwas Gutes tun. Noch einen Schritt weiter gehen die Initiatoren der „Bewegungsstiftung“

taz: Sie wollen eine Stiftung gründen – warum?

Christoph Bautz: Ziel ist es, Kampagnen und Projekte zu fördern, die sich für einen politischen und sozialen Wandel einsetzen. Wir sind seit den 80er-Jahren in verschiedenen Bewegungen aktiv – vor allem der Anti-Atom- und Umweltbewegung. Wir haben häufig die Erfahrung gemacht, dass oft die finanziellen Mittel fehlen, um erfolgreich zu sein. Dem wollen wir abhelfen, indem wir soziale Bewegungen mit unserer Stiftung fördern, um ihnen zu ermöglichen, politischen und gesellschaftlichen Druck auszuüben.

Auch, um das etwaige schlechte Gewissen zu beruhigen, plötzlich Geld zu haben, das andere benötigen?

Nein, es ist eine Möglichkeit, sich einzusetzen, aktiv zu bleiben oder zu werden und der gesellschaftlichen Entwicklung einen neuen Akzent, womöglich eine neue Richtung zu geben. Solche Gedanken unterstützen wir schon im Ansatz, indem wir beispielsweise auch Seminare geben für Leute, die genau in dieser Situation stehen, vielleicht eine größere Erbschaft machen, aber nicht genau wissen, wie man mit dem Geld etwas bewegen kann. Dabei geht es nicht nur um die Stiftung allein, sondern auch um ethisches Investment. Hinzu kommt, dass wir auch „Bewegungsarbeiter“ stützen wollen, also Menschen, die teils über Jahrzehnte in sozialen Bewegungen aktiv sind.

Wie viele Leute sind dabei?

Im Moment sind wir zu dritt, aber es gibt bereits weitere Interessenten, die in einer ähnlichen Situation sind; die auch über Geld verfügen, vielleicht in einer sozialen Bewegung engagiert sind, es waren oder sich diesen Gedanken nahe fühlen und einen Teil des Kapitals für den sozialen Wandel zur Verfügung stellen. Potenzielle Geldgeber können noch auf die Gestaltung der Stiftung einwirken.

Warum gerade die Konstruktion einer Stiftung?

Es ist ein Manko, dass es kaum Stiftungen gibt, die die gesellschaftliche Bewegung, zivilen Ungehorsam oder gewaltfreie Formen von Protest direkt finanziell fördern. Diese Nische wollen wir füllen. Wir wollen nicht allein über die Verwendung des Geldes bestimmen, sondern mit anderen zusammen in demokratischen Strukturen. Es sollen verschiedene Personen mit unterschiedlichen Ansätzen entscheiden, wer das Geld bekommt und wer nicht. Wir wollen die Stiftung im Herbst gründen, zurzeit gibt es einen Förderverein.

Ist die Zeit nicht gerade sehr ungünstig, Interessenten mit Kapital anzusprechen? Immerhin versprechen die Finanzmärkte – auch die ökologischen – Renditen, bei denen sich mancher überlegt, sein Geld am Markt zu vermehren statt es einer Stiftung zu schenken.

Es gibt immer mehr Menschen, die Geld in größeren Mengen zur Verfügung stellen wollen, weil sie sehen, dass die gesellschaftliche Ungerechtigkeit zunimmt – gerade im Zuge der Globalisierung wird die Gesellschaft aufgespaltet in Gewinner und Verlierer. Geld gibt es oft nur für Forschung und Lobbying. Unsere Unterstützer stellen einen Teil ihres Geldes für sozialen Wandel zur Verfügung. Sie haben im Rahmen der Stiftung nicht mehr das Problem, allein entscheiden zu müssen, was richtig und was falsch, was gut oder schlecht ist, sondern können dies gemeinsam mit anderen abwägen und entscheiden, wo das Geld sinnvoll eingesetzt werden kann.

Gehen Sie nach der Gründung der Stiftung weiterhin aktiv auf Kapitalakquise oder bilden Sie einen Grundstock, von dessen Zinsen dann die Projekte unterstützt werden?

Wir wollen weiter wachsen, über die Förderung bekannter werden und neue Leute erreichen, die sich an der Stiftung beteiligen und den Kapitalstock erweitern, sodass unser Fördervolumen steigt.

Anlegen wollen Sie das Stiftungskapital nach strengen Kriterien. Welche?

Unser Interesse ist es, das Geld ethisch und ökologisch korrekt anzulegen und gleichzeitig zu beeinflussen, wohin es fließt. Dazu gehören sicher auch die Solar- und Windbranche. Doch das ist nicht alles: Kapital wird zwar gemeinhin dort angelegt, wo der Markt boomt und die Renditen hoch sind. Wir wollen das Geld aber auch in Projekte stecken, die das Kapital wirklich benötigen, auch wenn sie vielleicht nicht so hohe Gewinne erzielen und entsprechend geringere Rendite zahlen, beispielsweise Wohnprojekte, Biohöfe, ökologische Projekte – solche also, die an Fremdkapital mitunter nur schwer herankommen.

Sie brauchen doch aber hohe Renditen, um mit dem Geld möglichst viele Projekte zu unterstützen.

Um mit dem Kapital politisch etwas zu erreichen, muss die Rendite natürlich angemessen sein, also etwa im Durchschnitt der Kapitalstreuung im Bereich von etwa sieben Prozent liegen.

Unser Anliegen ist aber, nicht mit dreckigem Geld saubere Projekte zu fördern. Es kann also nicht sinnvoll sein, indigene Völker im Amazonasgebiet zu unterstützen, wenn die Mittel dafür aus den Renditen der Aktien genau jener Baufirmen stammen, die beispielsweise mit einem Staudammprojekt diese Völker bedrohen. Wichtig ist es, sowohl bereits mit der Geldanlage als auch mit der Rendite etwas zu bewirken.

Wer kann sich denn künftig um Ihre Unterstützung bewerben?

Projekte, die im weitesten Sinne unserer Zielsetzung arbeiten – also längerfristig für sozialen und politischen Wandel eintreten wie Anti-AKW-Gruppen, globalisierungskritische Bewegungen, die sich mit Flüchtlingen oder frauenpolitischen Fragen beschäftigen. Wir wollen aber mit Projekten auch kontinuierlich und langfristig zusammenarbeiten und beispielsweise auch Weiterbildung fördern, um sicherzustellen, dass die guten Strategien entwickelt werden, damit Vorhaben zum Erfolg führen.

Wie soll die Abwicklung funktionieren?

Es gibt eine jährliche Ausschüttung, vermutlich zunächst auch eine Begrenzung pro Projekt auf ein Fördervolumen von 3.000 Mark. Ein fünfköpfiger Stiftungsrat wird über die Vergabe entscheiden. Darin sitzen Personen des öffentlichen Lebens, Vertreter von Projekten, ein wissenschaftlich-sozialer Fachbeirat sowie ein Vertreter aus dem Stiftungsbeirat.

Nun bedarf es nicht nur der Kapitalakquise, sondern zur Verteilung des Geldes auch Marktkenntnisse sowie Finanzsachverstand. Haben Sie beides schon im Boot?

Wir haben bereits einen Anlageberater dabei. Wir sind auch in Gesprächen mit der GLS-Bank und der Ökobank, die Vermögensverwaltung nach Kriterien, die wir aufstellen, anbieten und Geld professionell anlegen werden. Damit werden wir das Kapital weit streuen und die Risiken relativ gering halten.

INTERVIEW: ANDREAS LOHSE