: Zur Not auch mit den Grünen
Spätestens 2004 will die PDS gemeinsam mit der SPD die große Koalition ablösen. Lockerungsübungen mit der CDU sollen das rot-rote Bündnis strategisch absichern
Die beiden Fraktionsvorsitzenden der PDS im Berliner Abgeordnetenhaus, Harald Wolf und Carola Freundl, wollen ihre Partei auf Regierungskurs bringen. Wolf und Freundl, die sich heute der turnusmäßigen Wahl des Fraktionsvorstands stellen, präsentierten gestern einen Fahrplan für die Vorbereitung einer „rot-roten Regierung, ob mit oder ohne Grüne“, bis zum Jahr 2004. „Die überwältigende Mehrheit unserer Wählerschaft befürwortet einen Regierungswechsel unter Einschluss der PDS“, heißt es in dem Strategiepapier. Daher sei ein Verharren in der Oppositionsrolle „politischer Selbstmord“.
In ihrem gegenwärtigen Zustand seien SPD, PDS und Grüne allerdings „noch keine Regierungsalternative zur Großen Koalition“, räumen die beiden PDS-Politiker ein. Die Sozialdemokraten lavierten unentschlossen zwischen „platter neoliberaler Privatisierungspolitik“ und den „staatswirtschaftlich-keynesianischen Konzepten vergangener Zeiten“. Bei den Grünen sei der Generationswechsel gescheitert, „wirklich neue, innovative Vorschläge kommen hier kaum noch“. Auch die PDS selbst habe noch kein „tragfähiges Gesamtkonzept einer Reformpolitik für die ganze Stadt formuliert“.
Zugleich warnen Wolf und Freundl ihre Partei davor, sich zu einem bloßen Juniorpartner der SPD degradieren zu lassen. Eine Annäherung an die CDU sei schon deshalb nötig, weil nur so einer künftigen Rote-Socken-Kampagne „die Sprengkraft entzogen“ würde. Bereits das Gespräch zwischen CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky und PDS-Star Gregor Gysi zu Beginn des vorigen Jahres habe die Sozialdemokraten zu ähnlichen Gesprächen ermutigt. Umgekehrt müsse auch die CDU an einer „Normalisierung“ ihres Verhältnisses zur PDS interessiert sein. Schließlich brauche die Union Stimmengewinne im Osten, wenn sie nach einem Verlust des Koalitionspartners SPD eine absolute Mehrheit anstrebe.
Vorsorglich weisen die beiden Fraktionschefs ihre Partei darauf hin, dass eine rot-rote Regierung im Not leidenden Stadtstaat keine Wohltaten verteilen könne. Bei den Finanzen werde die große Koalition einen „Scherbenhaufen“ hinterlassen. Selbst bei einer Aufstockung der Hauptstadt- und Ostförderung führe an einer „konsequenten Strategie zur Sanierung der Berliner Finanzen“ kein Weg vorbei. Gleichwohl erwarte die Wählerschaft von einer PDS-gestützten Regierung „sichtbare und spürbare Veränderungen zum Besseren“ vor allem in den Bereichen „soziale Gerechtigkeit“ sowie „innere Liberalität und Bürgerrechte“.
Die Berliner SPD hatte sich am Wochenende auf einer Fraktionsklausur in Mecklenburg-Vorpommern über die praktischen Erfahrungen in einer Koalition mit der PDS informiert. Die gestrigen Avancen seiner PDS-Kollegen wollte SPD-Fraktionschef Klaus Wowereit allerdings nicht erwidern. Seine Partei werde „aufmerksam beobachten“, wie sich die Sozialisten nach dem Rückzug der Spitzenpolitiker Lothar Bisky und Gregor Gysi entwickelten. „Alles weitere werden wir sehen“, sagte Wowereit.RALPH BOLLMANN
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