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Residenzpflicht im Quadrat

Mahnende Stahlstelen oder interaktive Spielstätte: Wie soll Kunst zur Situation von AsylbewerberInnen aussehen? In Freiburg werden zehn Entwürfe für ein Denkmal ausgestellt, die dem Recht auf Bewegungsfreiheit gewidmet sind

Vielleicht ist es Zufall, dass sich die Ausstellung „Denk-Mal“ im selben Stockwerk der Freiburger Stadtbibliothek befindet wie deren „Mahnstelle“ für säumige Entleiher. Unfreiwillig, aber gleichfalls bezeichnend weist der entsprechende hausinterne Wegweiser auf eine Sammlung von Exponaten, die anklagen wollen: Unter dem Motto „Für das Menschenrecht auf Bewegungsfreiheit“ werden noch bis zum Ende des Monats zehn Entwürfe für ein Denkmal zu sehen sein, das in Freiburg errichtet werden soll. Künstlerinnen und Künstler aus der Region haben sich in ihren Modellen mit der aktuellen Lebenssituation von Flüchtlingen auseinander gesetzt. Es geht um sichtbare und unsichtbare Grenzen, durch die ihre Menschenwürde täglich verletzt wird.

AsylbewerberInnen ist es nur sehr bedingt möglich, sich frei zu bewegen, da sie der so genannten Residenzpflicht unterliegen. Ohne Genehmigung der Ausländerbehörde dürfen Flüchtlinge, deren Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist, den „Geltungsbereich der Aufenthaltsgestattung“ nicht verlassen. Die unsichtbare Grenze dieses Bezirks, der oftmals nicht größer als der Stadt- oder Landkreis ist, darf nur in Ausnahmefällen überschritten werden. Das unerlaubte Verlassen des „Gestattungsbereichs“ kann mit einer Geld- oder gar Gefängnisstrafe belegt werden – für manche Flüchtlinge kann dies die Abschiebung bedeuten, sind sie doch durch den Übertritt „kriminell“ geworden.

Für die Veranstaltung haben sich mehrere Flüchtlingsinitiativen aus dem südbadischen Raum, darunter das Südbadische Aktionsbündnis gegen Abschiebung, MediNetz, rasthaus und die Karawane Südbaden, zusammengeschlossen, um mit dem Denkmalprojekt eine breite Öffentlichkeit für das Thema Menschenrechte zu sensibilisieren. Gezeigt wird politisch engagierte Kunst, die auf sehr traditionelle und zugleich universale Motive zurückgreift: ein Labyrinth, ein schmaler Durchgang, kaum überwindbare Schluchten, klagend nach oben gestreckte Arme und immer wieder Zäune. Darin zeigt sich auch, wie schwer sich von heute aus für Künstler ein Zusammenhang zwischen der politischen Funktion von Denkmälern und einer übergreifenden Ästhetik herstellen lässt. Trotzdem bleiben die Arbeiten zum Thema Bewegungsfreiheit vielschichtig: So wird die phallisch nach oben ragende Skulptur „Tor“ aus Baustahl von Christian Beisenherz-Huss kontrastiert mit der flach auf dem Boden liegenden Plastik Jörg Bollins: ein offener Halbkreis aus Stahl, eingebunden in eine rechteckige Granitplatte, mit dem programmatischen Titel „Begegnung in Freiheit 2000“.

Überhaupt dominieren bei den Entwürfen die Materialien Stahl und Beton, die bevorzugten Formen sind Quadrate, Rechtecke und Kreise. Die Themen Angst und Hoffnung ziehen sich leitmotivisch durch sämtliche Exponate, die in sehr starkem Maße eine Betroffenheitsästhetik reproduzieren. Dadurch erinnern einige der Modelle an traditionelle Mahn- und Gedenkstätten, die den Opfern der Schoah gewidmet sind.

Ein vollkommen anderes Konzept für ein Denkmal zum Thema Residenzpflicht und Bewegungsfreiheit hat die Gruppe S.Punkt entwickelt. Die KünstlerInnen der Gruppe haben das Modell für einen Spielplatz mit Röhrenrutsche, Klettermauer und Schwungseilgerüst entworfen. Ihr interaktives „Spielmal“ ist eine Art Würfelspiel, bei dem die Spielenden selbst die Figuren sind. Sie können in die Rolle von Asylsuchenden schlüpfen, die bestimmte Aufgaben erfüllen müssen. „Es gibt kaum ein Thema, das so ernst ist, dass es nicht auch mit Spaß ernst genommen werden kann“, erklärt Isabella Bischoff von der Gruppe S.Punkt. Sowohl bei diesem Modell als auch bei den anderen neun Entwürfen wird die Möglichkeit angeboten, sich auf die Perspektive der Flüchtlinge einzulassen, um sich mit dem Thema Bewegungsfreiheit auseinander zu setzen. Der appellative Charakter der Ausstellung wird durch zuweilen sehr plakative Denkmalmodelle dennoch ein wenig überbetont.

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Ausstellung ist allerdings der lokale Bezug: Die Ausstellung richtet den blick auf die Situation von Flüchtlingen im Stadtkreis Freiburg und den beiden daran angrenzenden Landkreisen Emmendingen und Breisgau-Hochschwarzwald (BRH). Vor allem in dem Modell von Georg Dengler wird das Thema der Residenzpflicht konkret auf die Region Südbaden übertragen. Bei ihm sind die drei Kreise Freiburg, BRH und Emmendingen aus einer Metallplatte herausgebrannt und auf zwei Betonsockeln befestigt worden. Zwischen diesen liegt ein tiefer Abgrund, der die Grenze für die Asylsuchenden symbolisiert. Darüber befindet sich eine durchsichtige Glasplatte mit den Flüssen, Bächen und Seen der Umgebung, Ausdruck der uneingeschränkten Bewegungsfreiheit.

Am 27. Januar wird eine Jury aus VertreterInnen von Menschenrechtsorganisationen und ExpertInnen aus dem Kunstbereich eines der Modelle prämieren. Doch ob es wie geplant tatsächlich in der Stadt als „Denk-Mal“ zu sehen sein wird, ist nach Ansicht des Mitorganisators Walter Schlecht noch offen: „Die Residenzpflicht für Flüchtlinge muss erst abgeschafft werden, sonst wäre ein Denkmal absurd!“

ANJA SCHÖNER

„Denk-Mal. Für das Menschenrecht auf Bewegungsfreiheit“, bis 30. Januar, in der Freiburger Stadtbibliothek

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