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Indonesiens Präsident unter Druck

Weil Abdurrahman Wahid in zwei Finanzskandale verwickelt sein soll, fordern Studenten seinen Rücktritt. Der Präsident beteuert seine Unschuld, doch verwickelt er sich in Widersprüche und trägt mit seinem Verhalten nicht zur Transparenz bei

aus Bangkok JUTTA LIETSCH

Es war der größte Protest gegen Indonesiens Präsidenten Abdurrahman Wahid seit Beginn seiner Regierung vor fünfzehn Monaten: Über 5.000 Demonstranten haben sich gestern vor dem Parlament in der Hauptstadt Jakarta eine Straßenschlacht mit der Polizei geliefert. Mit Tränengas, Warnschüssen und Prügeln versuchten die Polizisten, die Menge davon abzuhalten, in das Gebäude einzudringen.

Hinter verschlossenen Türen legte dort zur gleichen Zeit eine Kommission ihren Bericht über die Rolle des Präsidenten in gleich zwei Finanzskandalen vor. Die Abgeordneten wollten erfahren, was der Präsident vom Treiben seines Masseurs wusste, der sich in Wahids Namen übersieben Millionen Mark von einer staatlichen Behörde auszahlen ließ. Und was machte der Regierungschef mit vier Millionen Mark, die ihm der Sultan von Brunei im letzten Jahr angeblich als Hilfe für die unruhige Provinz Aceh spendete?

Im Kern geht es darum, ob der fast blinde und gebrechliche Wahid selbst korrupt ist oder ob er nur das Opfer eines traditionell korrupten Palastsystems ist, in dem geschäftstüchtige Höflinge die Nähe zur Macht missbrauchen und Angestellte die Bücher nicht ordentlich führen.

Der Report zeigt den desolaten Zustand der indonesischen Politik: Obwohl sein Inhalt erst in drei Tagen bekannt gegeben werden soll, ließen indonesische Medien schon durchsickern, dass Wahid nicht mit weißer Weste davonkommt. Der Masseur ist eine schillernde Figur und machte schon früher mit dem Präsidenten Geschäfte. Auch trat er als „Berater“ der Familie des alten Diktators Suharto auf.

Die Geschichte soll sich etwa so zugetragen haben: Als der Masseur im vergangenen Jahr an einen ehrgeizigen Vizedirektor der Logistikbehörde „Bulog“ herantrat und ihm die Beförderung zum Amtsleiter versprach, händigte der ihm gern den gewünschten Millionenscheck aus. Das Geld sollte angeblich für Hilfsprogramme in Aceh verwendet werden. Da Wahid, wie er inzwischen selbst zugab, einige Monate zuvor bei dem „Bulog“-Mann schon mal angefragt hatte, ob er nicht Gelder aus dem Pensionsfonds lockermachen könnte, erhielt der Masseur den Scheck problemlos. Er sitzt inzwischen in Haft, ein Teil des Geldes wurde wiedergefunden. Wahid bestritt bislang jede Unregelmäßigkeit. Er habe die „Bulog“-Gelder gar nicht mehr gewollt, sagte er. Statt dessen habe ihm der Sultan von Brunei, der reichste Herrscher der Welt, vier Millionen Dollar als persönliches Geschenk überwiesen, dass er für die Aceh-Hilfe verwenden wollte.

Wahids Glaubwürdigkeit ist auf einem Tiefpunkt. Am Donnerstag könnte sich sein politisches Schicksal entscheiden. Dann sollen die Abgeordneten entscheiden, ob er sein Amt missbraucht hat. Unklar ist allerdings, was in diesem Fall mit ihm geschehen wird. Ein Amtsenthebungsverfahren wäre umständlich und würde Monate, wenn nicht gar Jahre dauern. Der Präsident hat alle Vorwürfe stets vehement bestritten. Die Parlamentarier versetzte er in Rage, als er sich weigerte, mit ihnen zu reden, weil er ihnen keine Rechenschaft schulde, wie er erklärte. „Nein!“, sagte er gestern kategorisch auf die Frage, ob er nun zurücktreten werde.

Niemand rechnet damit, dass Wahid bald – wie jüngst sein philippinischer Kollege Joseph Estrada – durch „people power“ aus dem Amt gejagt wird. Doch seine Lage ist prekär. Die Regierung wird immer kraftloser, die Macht über die Provinzen entgleitet ihr täglich mehr. Ein Ende der separatistischen Unruhen in

Aceh und Irian Jaya ist nicht in Sicht. Auch für den zweijährigen Krieg zwischen Muslimen und Christen auf den Molukken hat Wahid keine Lösung. Knapp drei Jahre nach Ende der Suharto-Diktatur ist es Wahid nicht gelungen, Militär und Polizei unter Kontrolle zu bekommen. Richter und Beamte sind so bestechlich wie zuvor. Vor wenigen Tagen hielt der Internationale Währungsfonds einen Kredit über 400 Millionen Dollar zurück, weil versprochene Wirtschaftsreformen ausblieben. Und Generalstaatsanwalt Marzuki Darusman sucht immer noch vergeblich nach dem legendären Vermögen des alten Diktators.

Wie schwach Wahid zuweilen agiert, zeigt die Farce um den Suharto-Sohn Hutumo Mandala Putra („Tommy“). Der war vor drei Monaten wegen betrügerischer Grundstücksgeschäfte zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt worden. Die Polizei behauptet bis heute, sie könne ihn nicht aufspüren. Einmal, so heißt es, hätten die Beamte ihn fast geschnappt, doch er sei ihnen entwischt. Auf solche Erklärungen reagieren viele Indonesier nur noch zynisch oder resigniert.

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