press-schlag: Radiophone Spaziergänge mit Milena (Folge 11)
Unordnung und frühes Leid
Kinder sind stockkonservativ. Auch Milena (2[3]/4) mag keine „Doraschungen“ (abgesehen natürlich von schön eingepackten „Daschenken“) und keine Unordnung. Alles soll an seinem Platz sein und bleiben: Das Saftglas darf nur links vom Teller stehen; beim Kasperletheater muss immer dasselbe Stück gespielt werden; und die allabendliche Reihenfolge der Einschlaflieder wird sich bis zur Saison 2008/09 nicht mehr ändern. Insofern war der erste Spieltag nach der Winterpause am vorletzten Wochenende ganz in Milenas Sinne gewesen: Von den neun Mannschaften aus der oberen Tabellenhälfte hatte keine einzige verloren; aus der unteren dagegen acht.
Dieses Wochenende war viel komplizierter: Zum einen fand der Bundesligaspaziergang wegen Unbespielbarkeit des Frankfurter Stadtwalds im Wohnzimmer statt, zum anderen war es der untippbarste Spieltag aller Zeiten. Die ersten sechs der Tabelle auswärts, kein einziges Spiel mit klarer Prognose, die Quotenmacher von Oddset sahen weder Favoriten noch Außenseiter – nicht nur bei den beiden erst nach Redaktionsschluss ausgetragenen, unwägbaren Meisterschafts-Vergeig-Revival-Partien in Rostock und Unterhaching. Die höchste Quote dieses Spieltags: lumpige 3,60. (Fast überflüssig zu sagen, dass das nach Ansicht der Experten unwahrscheinlichste Ergebnis, Freiburgs Sieg beim 1. FC Köln, natürlich eintrat . . .)
Also alles in Unordnung geraten? Na ja, nicht wirklich: Die Bayern melden sich als Ordnungsmacht zurück und beanspruchen das Gewaltmonopol beim Erkämpfen der Tabellenspitze. Schalke kann Kritik an der Unordnung in seiner Abwehr mit dem Hinweis auf das frühe Leid des Gegentors kontern; danach spielten sie abgezockt das „Lieber einmal 1:4 als viermal 0:1“ runter. Die Hertha hat ihre Abwehr – vor der Winterpause etwa so überzeugend wie derzeit das CDU-Präsidium – in Ordnung gebracht und mischt wieder mit: Wer nach 13 Ruhrstadion-Klatschen erstmals in Bochum siegt, der kann auch Meister werden.
Der HSV hingegen scheint den Champions-League-Doppelbelastungs-Abstiegs-Kelch, der an Hertha im letzten Jahr noch vorübergegangen war, ordentlich und vollständig austrinken zu wollen. Und Dortmund und Kaiserslautern zeigen, dass es schon seine Ordnung damit hat, wenn sie beim Aufzählen der Meisterschaftsfavoriten stets vergessen werden.
Also: Alles an seinem Platz. Zumal „Abba & Zeh dewonnen hat“, wie Milena den Hertha-Sieg um 17.20 Uhr weisungsgemäß in die Küche meldete.
Live aus der guten Stube:
OLIVER THOMAS DOMZALSKI
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen