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Dickschiff auf Kurs

Bertelsmann holt eine Finanzholding ins Boot, erhält dafür im Gegenzug Aktienmehrheit bei der RTL Group – und läutet seinen Börsengang ein

von ARNO FRANK

Die Medienleute aus Gütersloh hätten gerne ein großes Stückchen vom RTL-Kuchen, damit sie mitbestimmen und mitverdienen können bei Deutschlands marktführendem TV-Sender. Und die Finanzexperten von GBL hätten gerne ein großes Stückchen vom Bertelsmann-Kuchen, damit sie es irgendwann an die Börse bringen können. Und weil der belgisch-kanadischen Investmentgesellschaft Groupe Bruxelles Lambert (GBL) 30 Prozent der RTL-Gruppe gehören, können die beiden kurzerhand tauschen: Bertelsmann übernimmt den GBL-Anteil an RTL, GBL steigt dafür im Gegenzug mit 25,1 Prozent bei Bertelsmann ein.

Gemeinsam mit der WAZ-Gruppe (Westdeutsche Allgemeine Zeitung) hielt Bertelsmann bereits in der Vergangenheit 37 Prozent an RTL, ein Fünftel davon mit Beteiligung der WAZ. Durch die nun erworbenen Anteile aus den Depots der GBL ist Bertelsmann mit 67 Prozent nunmehr federführender Großaktionär beim Hans-Meiser- und „Big Brother“-Sender.

„Unsere Position als treibende Kraft im Zukunftsmarkt Fernsehen wird gefestigt“, stellte denn auch Bertelsmann-Vorstandschef Thomas Middelhoff treffend fest: In elf europäischen Ländern gehören der RTL Gruppe 22 TV- und 18 Radiosender mit insgesamt 145 Millionen Nutzern – nach Hollywood ist RTL zudem weltgrößter Produzent von Fernsehfilmen, führender Werbeträger und Sportrechtevermarkter in Europa. Eine Partie der Superlative also, für die Bertelsmann sogar mit fest gefügten Traditionen bricht. Bisher nämlich hatte der Bertelsmann-Gründer Reinhard Mohn einen Börsengang seiner Holding kategorisch ausgeschlossen. Ab 2004 aber darf die GBL ihre Bertelsmann-Beteiligung an der Börse zu Markte tragen: Seit dem Kauf seines ersten Stahlwerks 1954 hat Albert Frère, GBL-Chef und reichster Mann Belgiens, sein Vermögen auf eben jene Weise vermehren können. Billig kaufte er sich in wichtige Unternehmen ein, um möglichst teuer wieder zu verkaufen. So verhökerte GBL nicht nur wesentliche Teile der belgischen Industrie ins französische Ausland, sondern sicherte sich auch maßgeblichen Einfluss auf Unternehmen wie Suez Lyonnaise des Eaux oder Elf/Totalfina.

1996 setzte Frère sein Placet unter die Fusion von CLT (Compagnie Luxembourgeoise de Televion) und UFA, 2000 ermöglichte er die Fusion mit Pearson TV zur RTL Group. Der jüngste Aktientausch nun befördert ihn nun voraussichtlich in den Bertelsmann-Aufsichtsrat.

Dort hält GBL zwar künftig 25,1 Prozent. Kontrolliert wird der Konzern aber weiterhin von der Gründerfamilie Mohn und der Bertelsmann-Stiftung, da 0,1 Prozent seiner Aktien ohne Stimmrecht sind. Eine so genannte Sperrminorität ist damit ausgeschlossen.

Die Strategen in Gütersloh können also weiter unbehelligt etwa an einer Fusion ihrer Musiksparte BMG mit dem Konkurrenten EMI basteln, ohne dass ihnen ihr neuer Teilhaber in die Suppe spucken kann. Weil die GBL ihren Anteil aber – in drei bis vier Jahren – zum Verkauf anbieten darf, ist der Medienriese Bertelsmann damit endgültig auf Börsenkurs gebracht. Das meint auch Thomas Middelhoff, wenn er von einem „strategisch und firmenhistorisch bedeutsamen Schritt“ spricht, „der die Zukunft des Unternehmens nachhaltig prägen wird“.

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