: Online das Finanzamt austricksen
EU-Kommission sucht nach rechtlicher Lösung, um beim Handel im Internet Steuern erheben zu können
BERLIN taz ■ Zehn Milliarden Mark oder nur ein kleiner Millionenbetrag – keiner weiß genau, wie viel Umsatzsteuer den deutschen Finanzämtern beim E-Commerce durch die Lappen geht. Vor allem private User nutzen fehlende Kontrollmöglichkeiten bei grenzüberschreitenden Onlinegeschäften. Dieter Ondracek, Chef der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, schätzt, dass jeder Deal, der am deutschen Fiskus vorbei abgewickelt wird, den Beteiligten Steuern in Höhe von 20 Prozent erspart.
Wer heute bei einem amerikanischen Anbieter Software herunterlädt und per Kreditkarte bezahlt, führt in der Regel weder Umsatzsteuer noch Einfuhrzölle ab. In den USA selbst wird ohnehin keine Steuer fällig – 1998 befreite der Senat den innerstaatlichen Onlinehandel von der Umsatzsteuer, um die gerade in Schwung gekommenen Internetgeschäfte nicht zu behindern. Die Befreiung gilt aber nur bis Oktober. Spätestens dann sollen sich die USA und die EU geeinigt haben, wie grenzüberschreitende Onlinegeschäfte künftig besteuert werden.
„Bislang sind die Steuerausfälle vergleichsweise unbedeutend“, sagt Harald Summa vom Verband der deutschen Internetwirtschaft. Doch wenn etwa der kommerzielle Download von Musik und ganzen Filmen richtig in Fahrt komme, könnten sie bedeutende Ausmaße annehmen. „Die Rechts- und Steuervorschriften im Onlinehandel gleichen momentan eher einem Dschungel. Man hat sich zwar reingewagt, weiß aber nicht, wo man rauskommt“, schätzt der Steuer- und Rechtsexperte Roland Rehm aus München. Die EU-Kommission sucht daher nach einer europaweiten Lösung. Nicht einfach angesichts der unterschiedlich hohen Mehrwertsteuersätze in den EU-Staaten. Der erste Vorschlag vom Juni letzten Jahres gilt als zu kompliziert. Er sieht unter anderem eine unterschiedliche Behandlung von Geschäften zwischen zwei Unternehmen und Geschäften mit Endkunden vor.
Wie die endgültige Regelung auch aussehen mag, das Hauptproblem bleibt die Kontrolle. Die Waren, wie zum Beispiel Software oder Musikdateien, kommen via Datenleitung nach Deutschland. „Für den Fiskus ist es technisch sehr schwierig, den elektronischen Handel zu überwachen“, sagte Somma.
Rehm fordert, dass die digitale Signatur im Internet die eigenhändige Unterschrift ersetzen soll. Dies gilt als entscheidender Schritt zu verstärktem Geschäftsverkehr im Internet. Der Internetrechtler Michael König sieht die Lage weniger dramatisch. Seine Kanzlei betreut IT-Unternehmen. König sagt, dass „bisher kaum nennenswerte Umsätze“ per Download realisiert wurden. Auch für die nächsten Jahre bleibt er skeptisch: „Kostenpflichtige Downloads wurden von den Surfern bisher kaum akzeptiert. Warum sollte sich das in Zukunft ändern?“
HOLGER DAMBECK
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