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Vorentscheidung über die Hessen-Wahl

Das Bundesverfassungsgericht wird heute die Frage klären, ob das hessische Wahlprüfungsverfahren mit dem Grundgesetz vereinbar ist

FREIBURG taz ■ Das Bundesverfassungsgericht entscheidet heute zwar nicht, ob die hessische Landtagswahl wiederholt werden muss. Aber es trifft eine wichtige Vorentscheidung. Denn mitten im Wahlprüfungsverfahren fiel der hessischen Landesregierung auf, dass die seit mehr als 50 Jahren geltenden Regeln möglicherweise gegen das Grundgesetz verstoßen.

Zwei Punkte störten die Regierung von Ministerpräsident Roland Koch (CDU) besonders: Zum einen sei das hessische Wahlprüfungsgericht nicht wirklich ein Gericht, da ihm neben zwei Berufsrichtern auch drei Landtagsabgeordnete angehören, die sozusagen „in eigener Sache“ entscheiden. Ein solcher Parlamentsausschuss könne, so die von CDU und FDP gebildete Hessen-Regierung, keine rechtskräftigen Entscheidungen treffen. Es bedürfe einer gerichtlichen Überprüfung. An diesem Punkt wird Karlsruhe aber wohl kaum intervenieren. Denn inzwischen hat das hessische Verfassungsgericht, der Staatsgerichtshof, Abhilfe geschaffen. Er hat bereits im vergangenen August klargestellt, dass Landtagsabgeordnete nach einer negativen Entscheidung des Wahlprüfungsgerichts noch eine gerichtliche Überprüfung durch den Staatsgerichtshof erzwingen können.

Damit hat er der Koch-Regierung ihr erstes Hauptargument faktisch aus der Hand geschlagen. Mehr gestritten wurde im letzten Dezember bei der mündlichen Verhandlung in Karlsruhe um das zweite Argument von Kochs Anwälten. Nach deren Auffassung verstößt der in der hessischen Verfassung genannte Maßstab für die Wahlprüfung gegen das Grundgesetz. Konkret heißt es in der Landesverfassung: „Im Falle der Erheblichkeit für den Ausgang der Wahl machen eine Wahl ungültig: Unregelmäßigkeiten im Wahlverfahren und strafbare oder gegen die guten Sitten verstoßende Handlungen, die das Wahlergebnis beeinflussen.“

Koch will nun erreichen, dass der Verweis auf die guten Sitten aus der Landesverfassung gestrichen wird. Diese Bestimmung sei, so seine Anwälte, in ihrer „Vagheit und unbestimmten Weite der politischen Beliebigkeit zugänglich“. Kochs Interesse ist klar: Schon zu Beginn der Wiesbadener Überprüfung hat das Wahlprüfungsgericht klargestellt, dass es die Finanzierung des hessischen CDU-Wahlkampfs aus schwarzen Kassen im Ausland für einen Verstoß gegen die guten Sitten hält.

Doch vermutlich wird das Bundesverfassungsgericht nicht korrigierend in eine Landesverfassung eingreifen, sondern allenfalls eine „grundgesetzkonforme Auslegung“ fordern. Und dann kommt es auf die Feinheiten an: Wenn Karlsruhe zulässt, dass ein Verstoß gegen das Parteiengesetz auch als Sittenverstoß zu werten ist, hat das Wahlprüfungsgericht freie Hand, die Wahl zu annullieren. Stellt das Gericht aber fest, dass die „guten Sitten“ sich sehr speziell auf das Wahlverfahren beziehen müssen und die mangelhafte Offenlegung von Parteivermögen daher mit den Wahlsitten nicht eng genug zusammenhängt, dann hätte sich für Koch der Gang nach Karlsruhe gelohnt.

Am 23. Februar wird das hessische Wahlprüfungsgericht erneut zusammentreten. Erklärt es dann die Wahl für ungültig, werden die Parlamentarier von CDU und FDP allerdings sicher noch den hessischen Staatsgerichtshof anrufen. Bestätigt dieser die Wahlannullierung, sind binnen 60 Tagen Neuwahlen durchzuführen. CHRISTIAN RATH

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