: Tante Emma TV
Im März startet RTL einen eigenen Shoppingsender. Ab heute gibt es im Hauptprogramm schon mal ein Fenster – heraus schaut Harry Wijnvoord
von HEIKO DILK
Lange mussten wir auf ihn warten, endlich ist er wieder da: Slim-Fast-Model und „Der Preis ist heiß“-Moderator Harry Wijnvoord beglückt Fernsehshopper ab heute Morgen 8.05 Uhr auf RTL. Doch das ist erst der Anfang. Am 1. März startet RTL via Satellit den Teleshopping-Kanal „RTL Shop“. Neben H.O.T. (Home Ordering Television) und QVC (Quality, Value, Convenience) ist er der dritte Verkaufssender im deutschen Fernsehen. Zusätzlich gibt es ab 5. März ein halbstündiges Fenster auf RTL 2 und ab 1. April eines bei Vox.
Man kennt das: Ein wahnsinnig begeisterter Moderator lässt sich von einem total aufgekratzten Experten die Vorzüge der tollen neuen Cellulitekur erklären. Nebenher läuft ein kleiner Ticker, der zeigt, wie viele Kuren noch übrig sind – also schnell zuschlagen, sonst ist’s alle!
Die fröhlichen Moderatoren werden bei RTL von Walter Freiwald – bekannt aus „Der Preis ist heiß“ –, Dirk Klingebiel, Axel Vetter oder Carmen Quinet gegeben. Wem das nichts sagt, der ist wahrscheinlich kein Fernsehshopper der ersten Stunde. Allesamt wurden sie nämlich im Laufe der Jahre von QVC abgelegt. Andrea Gerard, Pressesprecherin von QVC, zeigt sich denn auch sichtlich begeistert über die RTL-Fernsehverkäufer: „Die haben wir alle ausgebildet“, sagte sie stolz. Freiwald ist der einzige, den man schon vorher kannte. Ansonsten „bildet QVC alle Moderatoren selber aus“, sagt Gerard. Und dichtet: „Bei uns sind die Produkte die Stars.“
Die stehen beim RTL Shop natürlich auch im Vordergrund. Da gibt es nämlich ein konventionelles und ein innovatives Teleshoppingangebot. Und tatsächlich, der Einfallsreichtum kennt keine Grenzen: RTL-Fanartikel und -Merchandisingprodukte kann man kaufen. Aber auch Computerspiele. Besonders aufregend: Finanzdienstleistungen und Versicherungen. Außerdem will der Sender mit neuen Formaten Kunden gewinnen. „Gemeinschaftskauf“ und „Auktion“ heißen die Stichworte. Ganz so innovativ ist das freilich nicht. Man denke nur an ricardo.de und letsbuyit.com.
Laut RTL-Geschäftsführer Gerhard Zeiler stehen die Chancen trotzdem gut. „Mit RTL Shop erschließen wir uns einen viel versprechenden Markt mit guten Wachstumschancen und einem Umsatzpotenzial von zwei Milliarden Mark allein in Deutschland“, ließ er verlauten. Deshalb glaubt er auch, dass der Markt einen dritten Teleshoppingkanal verkraftet. Eine Meinung, die man bei H.O.T. teilt. Die H.O.T. GmbH & Co. KG, zu deren Gesellschafter das Home Shopping Network (HSN), Kirch, Kofler und Quelle gehören, ist Marktführer. 1999 hatte H.O.T. 1,3 Millionen Kunden und 306 Millionen Mark Umsatz zu verzeichnen. Für das Jahr 2000 werden bereits 500 Millionen erwartet. Den erwarteten Umsatz von QVC hinzugerechnet macht das ein Gesamtvolumen von 870 Millionen. Bei solchen Zuwachsraten spricht in der Tat einiges dafür, dass auch RTL noch kräftig mitverdienen kann. RTL investiert zum Auftakt 65 Millionen und erwartet innerhalb von drei Jahren eine schwarze Null in der Bilanz. H.O.T. brauchte vier volle Geschäftsjahre bis zum „break even point“ und erreichte ihn 1999. Bei QVC hingegen ist man noch nicht in der Gewinnzone. Was aber nach Angaben von Andrea Gerard an den diesjährigen Investitionen in ein neues Verwaltungsgebäude und in ein Logistikzentrum liegt.
Auch bei QVC wird also weiterhin auf die Kaufwut des Fernsehpublikums gesetzt. QVC-Geschäftsführer Francis N. Edwards geht aber im Gegensatz zur Konkurrenz nicht davon aus, dass es Platz für einen dritten Bewerber gibt und verweist auf Verhältnisse in den USA. Dort gibt es über 20 Verkaufskanäle, aber nur zwei machen nennenswerten Gewinn. Darunter natürlich der viertgrößte amerikanische Sender überhaupt: QVC.
Harry W. und all den anderen Verkäufern wird das aber vorerst egal sein. Hauptsache, es gibt ordentlich was loszuschlagen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen