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Wenn ein Schüler gleicher ist

■ Sonderbehandlung eines Schulleiter-Sohnes bringt Eltern und Schüler am alten Gymnasium auf die Palme / Zerrüttetes Lehrer-Verhältnis oder gute Connections?

Alle Schüler sind vor dem Lehrer gleich, aber mancher eben gleicher. So jedenfalls sehen es viele Eltern und auch Schülerinnen und Schüler des Abitursjahrganges am Kippenberg-Gymnasium. In der vergangenen Woche gab es eine Krisensitzung, in der 14 SchülerInnen der 13. Jahrgangs, einige Elternvertreter, die Schulleitung des alten Gymnasiums und der Schulrat Jürgen Bruns zusammensaßen.

Grund der Aufregung: Einer der Schüler, nennen wir ihn einmal Jonas, sitzt seit Januar dieses Jahres im Englisch-Leistungskurs der Erwachsenenschule. Im Protokoll der Krisensitzung ist vermerkt, was die Mitschüler davon halten: „Sie gehen davon aus, dass H. C. dadurch ein besseres Abitur erreichen wird.“ Und das hätten einige auch ganz gern. Weiter im Text des Sitzungsprotokolls: „Auf die Frage einer Schülerin, ob sie ihren Matheleistungskurs nun auch am Gymnasium Horn belegen könne, da sie dort für die gleiche Leistung vier Punkte mehr bekäme, wie es bei H. C. zu erwarten sei, äußert sich Herr Bruns ausweichend. Die Schülerinnen machen ihn darauf aufmerksam, welche Auswirkungen dieses Beispiel auf die Schulen haben könne.“

Schüler Jonas, das bestätigt die Behörde, bekommt nach dem Abitur ein Zeugnis des Alten Gymnasiums, die Schulleitung ist von der Behörde angewiesen worden, dort die Zensur aus der Erwachsenenschule zu übernehmen und nicht kenntlich zu machen, dass die Zensur „extern“ erworben wurde. Wie das? Der Schulrat sprach von einem Sonderfall aufgrund der „Zerrüttung zwischen Lehrer und Schüler“. Das wiederum können die anderen Schülerinnen und Schüler am AG nicht akzeptieren: Der betroffene Lehrer ist bekannt dafür, dass einige Schülerinnen mit ihm Probleme haben. Die Behörde hat eine Akte darüber angelegt. Aber, so das Protokoll der Krisensitzung: Die SchülerInnen können diese „besondere Zerrüttung“ zwischen dem Lehrer und Jonas „nicht erkennen“. Für einen generellen Lehrerwechsel ist es, wenige Wochen vor den Abiturprüfungen, zu spät - der Leistungskurs will nämlich trotz der Probleme bei „seinem“ Lehrer Abi machen.

So schlimm kann es also nicht sein. Schlimm für Jonas scheint aber etwas anderes zu sein: Er war ein Jahr in Kanada und bekommt jetzt bei dem Lehrer keine 15 Punkte, sprich keine Eins plus als Zensur. Das empört auch den Vater, und der kennt sich aus: Er ist stellvertretender Schulleiter und zuständig für die gymnasiale Abteilung an der Bördestraße. In dieser Eigenschaft hat er permanent mit dem Schulrat Bruns zu tun. Der Vater war früher an der Erwachsenenschule, kennt sich also auch da aus. Und er ist Mitglied der SPD, kennt sich also auch da aus.

Die SchülerInnen haben dem Schulrat das gesagt, dass ihrer Beobachtung nach weniger das zerrüttete Verhältnis des Schülers Jonas zum Lehrer ausschlaggebend war. „Die SchülerInnen protestieren mehrfach dagegen, dass ihr Mitschüler seine Sonderbehandlung aufgrund der Beziehungen seiner Eltern zur Behörde erhält (Vater bis zum Ende des Schuljahres 1999/2000 Lehrer am Abend-Gymnasium, SPD-Mitglied und Konrektor eines Sek. II-Zentrums).“

Die Lehrer am Abendgymnasium „Erwachsenenschule“ sind durch die Sondergenehmigung der Behörde in eine besonders unangenehme Situation gebracht worden: Können sie dem Kollegen-Sohn die gewünschte Eins plus verweigern und damit den Vater, ihren ehemaligen Kollegen, blamieren? K.W.

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